Die Finanzverwaltung NRW hat kürzlich Folgendes online gestellt:
Für das Jahr 2022 haben verbeamtete Personen in großer Anzahl Ansprüche auf Besoldung und Versorgung geltend gemacht, die über die gesetzlich zustehenden Bezüge hinausgehen und Widerspruch wegen Nichtamtsangemessenheit der Alimentation erhoben.
Die bislang zurückgestellten bzw. ruhend gestellten Verfahren zur Entscheidung über die eingelegten Widersprüche der verbeamteten Personen, Richterinnen und Richter sowie Versorgungsberechtigten werden nunmehr wieder aufgegriffen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen vom 05.05.2015 (2 BvL 17/09), vom 17.11.2015 (2 BvL 19/09) und vom 04.05.2020 (2 BvL 6/17 u.a. und 2 BvL 4/18) fünf aus dem Alimentationsprinzip ableitbare Parameter vorgegeben, die bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentationsniveaus zu beachten sind.
Hierbei hat die vollumfängliche Prüfung der notwendigen statistischen Daten unter Beachtung der vom BVerfG aufgestellten Parameter ergeben, dass die Alimentation in 2022 verfassungskonform war.
In den betroffenen Fällen erlässt das LBV NRW daher Widerspruchsbescheide, mit denen die Widersprüche in der Sache als unbegründet zurückgewiesen werden. Dazu zählen sowohl Widersprüche, die zeitnah, als auch solche, die nicht zeitnah (Eingang erst nach Ablauf des betreffenden Anspruchszeitraums) eingegangen sind.
Was ist im Streit?
Die amtsangemessene Alimentation bedeutet im Wesentlichen, dass Beamte einen angemessenen Lohn bekommen sollen, der ihrer Stellung und ihren Aufgaben entspricht. Dies ist notwendig, damit Beamte unabhängig und ohne finanzielle Sorgen ihren Dienst verrichten können.
Hier sind die Hauptgrundsätze zusammengefasst:
- Verfassungsrechtliche Vorgaben: Die Besoldung von Beamten muss so bemessen sein, dass sie den Lebensstandard gewährleisten kann, der ihrer Position und Verantwortung entspricht. Das ist im Grundgesetz verankert, genauer gesagt im Artikel 33 Absatz 5.
- Regelmäßige Überprüfung und Anpassung: Die Besoldung muss regelmäßig überprüft und, wenn nötig, angepasst werden, um sicherzustellen, dass sie mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der Preissteigerung Schritt hält.
- Grundlage der Existenzsicherung: Die Besoldung soll ausreichend sein, um den Beamten und seine Familie nicht nur die materielle Existenz zu sichern, sondern auch eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
- Konkrete Rechtsprechung: In den letzten Jahren haben Verwaltungsgerichte mehrfach betont, dass bestimmte Besoldungsstufen für Beamte nicht ausreichend sind, um die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Beispielsweise gab es Urteile, die feststellten, dass die Besoldung von Beamten im unteren Dienst nicht ausreicht, um den verfassungsrechtlich geforderten Lebensstandard zu sichern.
- Einflussfaktoren auf die Höhe der Besoldung: Dazu gehören Familienstand, Anzahl der Kinder, Dienstalter, und Besoldungsgruppe. Diese Faktoren müssen in der Besoldungspraxis angemessen berücksichtigt werden.
- Nachholbedarf und Maßnahmen: In Fällen, in denen festgestellt wurde, dass die Besoldung zu niedrig war, haben die Gerichte angeordnet, dass Nachzahlungen oder Anpassungen vorgenommen werden müssen, um die verfassungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.
Es gibt verschiedene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die sich mit der Beamtenbesoldung in den Jahren 2019, 2020 und 2021 befassen. Besonders relevant sind Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und auch der Oberverwaltungsgerichte der Länder.
Ein signifikanter Fall ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2020 (Az.: 2 BvL 4/18), in der das Gericht festgestellt hat, dass die Besoldung von Beamten in bestimmten Besoldungsgruppen in Berlin für das Jahr 2009 verfassungswidrig zu niedrig war. Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Besoldungspraxis in ganz Deutschland, da ähnliche Grundsätze auch auf Fälle in anderen Bundesländern, einschließlich NRW, angewendet werden können.
Ein weiteres Beispiel sind die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW). Im Jahr 2021 hat das OVG NRW in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass die Besoldung in unteren Besoldungsgruppen nicht ausreicht, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber die Besoldung regelmäßig überprüfen und anpassen muss, um sicherzustellen, dass sie den Lebensstandard der Beamten und ihrer Familien angemessen sichert.
Zusätzlich hat es im Jahr 2021 zahlreiche verwaltungsgerichtliche Entscheidungen gegeben, die sich spezifisch mit den besonderen Umständen der COVID-19 Pandemie auseinandersetzten. Hierbei wurde auch die Frage beleuchtet, ob zusätzliche Erschwernisse oder besondere Belastungen der Beamten in dieser Zeit eine Erhöhung der Besoldung rechtfertigen könnten. Solche Entscheidungen unterstreichen die Notwendigkeit, die Besoldung kontinuierlich an aktuelle Entwicklungen anzupassen.
Diese Urteile haben verdeutlicht, dass der Gesetzgeber in NRW Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass die Besoldung den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Es besteht auch ein klares Signal an die Verwaltung und den Gesetzgeber, dass Nachbesserungen erforderlich sind, um die amtsangemessene Alimentation zu gewährleisten.
Wenn Sie sich also auf die Besoldung in diesen Jahren beziehen, gibt es tatsächlich einige Präzedenzfälle und Entscheidungen, die eine Überprüfung und mögliche Anpassung Ihrer Besoldung unterstützen könnten. Sollte Ihre Besoldung in diesen Jahren nicht den Anforderungen entsprechen, könnte dies ein Ansatzpunkt für rechtliche Schritte sein.
Schon während des Gesetzgebungsverfahrens zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge für das Land Nordrhein-Westfalen, das eigentlich zum Ziel hatte, das Ergebnis der Tarifrunde für die Beschäftigen der Länder (TV-L) auf den Beamten- und Pensionärsbereich zu übertragen, hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Udo Di Fabio erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in der Fassung vom 29. Oktober 2024 geäußert.
Die Ergebnisse seiner gutachterlichen Prüfung in der Zusammenfassung:
1. Das Gesetz in der Fassung vom 29. Oktober 2024 ist insgesamt verfassungswidrig.
2. Die Berücksichtigung eines „Partnereinkommens“ in der Besoldungsbemessung steht nicht im Einklang mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes.
3. Die Besoldung eines Beamten, die das Mindestabstandsgebot zur Grundsicherung wahrt, darf nicht von einem Antragserfordernis abhängig gemacht werden.
4. Der Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag verletzt das besoldungsinterne Abstandsgebot zwischen den normierten Besoldungsgruppen.
Angesichts dieser Rechtsprechung für die Jahre 2019-2021 und des Gutachtens für die Besoldung in 2024 stellt sich doch die berechtigte Frage, ob die Besoldung in 2022 amtsangemessen war.
Fazit:
Wenn Sie Beamter im Land NRW sind und das Gefühl haben, dass Ihre Besoldung nicht ausreichend ist, könnte es sich lohnen, dies überprüfen zu lassen. Die Verwaltungsgerichte spielen hier eine wichtige Rolle, um sicherzustellen, dass Ihre Alimentation amtsangemessen ist.