Ein strafrechtlicher Vorwurf im Bereich des Sexualstrafrechts betrifft nicht nur den Beschuldigten selbst, sondern hat oft auch tiefgreifende Auswirkungen auf dessen familiäre Situation – insbesondere auf das Sorgerecht und Umgangsrecht. Dies gilt vor allem dann, wenn der Tatvorwurf im familiären Umfeld erhoben wird oder Kinder unmittelbar oder mittelbar betroffen sind.
In diesem Artikel wird dargestellt, welche rechtlichen Verknüpfungen zwischen Strafverfahren und familienrechtlichen Maßnahmen bestehen und wie Beschuldigte mit den drohenden Konsequenzen umgehen sollten.
Ausgangslage: Trennungskonflikte und Strafanzeigen
Nicht selten entstehen Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe im Zusammenhang mit Trennungssituationen, insbesondere wenn es um das Sorgerecht oder Umgangsrecht für gemeinsame Kinder geht. In manchen Fällen dient die Anzeige – bewusst oder unbewusst – auch als Mittel, um Einfluss auf das familiengerichtliche Verfahren zu nehmen. Umgekehrt kann ein berechtigter Vorwurf zu einer notwendigen Einschränkung des Kontakts führen.
Die familienrechtlichen Gerichte sind in solchen Konstellationen verpflichtet, den Schutz des Kindeswohls vorrangig zu beachten (§ 1697a BGB). Das bedeutet: Bereits ein laufendes Ermittlungsverfahren kann ausreichen, um den Umgang einzuschränken oder ganz auszusetzen – unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens.
Strafverfahren und familiengerichtliche Reaktionen
Sobald ein strafrechtlicher Tatverdacht im Raum steht, insbesondere bei Sexualdelikten gegen Kinder oder innerhalb der Familie, kann das Familiengericht von Amts wegen Maßnahmen ergreifen (§§ 1666, 1666a BGB). Typische familienrechtliche Maßnahmen sind:
vorübergehende Aussetzung des Umgangsrechts,
Ausschluss des alleinigen oder gemeinsamen Sorgerechts,
Anordnung begleiteter Umgänge (Umgang in Anwesenheit Dritter),
Auflagen wie psychologische Begutachtungen oder Gespräche beim Jugendamt.
Das Gericht orientiert sich dabei nicht an dem strengen Maßstab des Strafrechts (z. B. „hinreichender Tatverdacht“ oder „überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit“), sondern allein an einer Gefährdungsprognose für das Kind.
Beweislast und Beurteilungsmaßstab
Im Gegensatz zum Strafprozess gilt im Familienrecht nicht der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“. Das Familiengericht kann auch auf der Grundlage von Vermutungen oder unsicheren Erkenntnissen Maßnahmen treffen, wenn eine Kindeswohlgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.
Das bedeutet: Auch bei einem späteren Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung im Strafverfahren kann das Familiengericht eine Umgangsbeschränkung oder einen Sorgerechtsentzug für gerechtfertigt halten – sofern der Verdacht aus familienrechtlicher Sicht nachvollziehbar bleibt.
Verteidigung mit Blick auf familienrechtliche Folgen
Aus strafrechtlicher Sicht ist es wichtig, bereits im Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen, dass bestimmte Äußerungen oder taktisches Verhalten Rückwirkungen auf das Familienverfahren haben können. Auch die Kommunikation mit dem Jugendamt sollte umsichtig und möglichst über anwaltliche Beratung erfolgen.
Je nach Konstellation kann es sinnvoll sein:
Parallel zum Strafverfahren eine familienrechtliche Vertretung zu organisieren,
Einvernehmliche Regelungen mit dem anderen Elternteil zu suchen (z. B. begleiteter Umgang),
Psychologische oder therapeutische Unterstützungsangebote zu nutzen,
Die aktive Klärung des Sachverhalts über geeignete Beweismittel (z. B. Zeugenaussagen, Chatverläufe) zu fördern.
Fazit
Ein Sexualstrafverfahren kann gravierende Auswirkungen auf das Sorgerecht und Umgangsrecht haben – auch ohne Verurteilung. Familiengerichte prüfen allein unter dem Blickwinkel des Kindeswohls, oft unabhängig vom strafrechtlichen Ergebnis. Für Beschuldigte ist es daher besonders wichtig, frühzeitig eine Gesamtstrategie zu entwickeln, die sowohl die strafrechtliche Verteidigung als auch die familiäre Situation im Blick behält.