Die Parteien streiten über die medizinisch notwendige Anzahl von Zahnimplantaten. Die Klägerin ist gesetzlich versichert. Sie unterhält bei der Beklagten eine private Zusatzversicherung seit dem 01.01.2009 unter der Versicherungsnummer ... im Tarif "Prodent". Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und die Bedingungen des Tarifs "Prodent" zugrunde. Der Zahnarzt der Klägerin erstellte am im Juli 2021 einen prothetisch-implantologischen Behandlungsplan, wonach insgesamt 18 BCS-Implantate vorgesehen sind. Die voraussichtlichen Kosten liegen bei 19.193,27 Euro. Mit ihrem Schreiben vom Dezember 2021 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die vollständige Kostenübernahme mangels medizinischer Notwendigkeit ab. In ihrem Schreiben vom März 2022 bekräftigte die Beklagte dies und führte aus, die von dem Behandler vorgesehene Anzahl an Implantaten sei nicht medizinisch notwendig und daher nicht vollständig erstattungsfähig. Im Winter 2023/24 ließ sich die Klägerin mit 14 herkömmlichen Schraubimplantaten behandeln. Die Klägerin behauptet, die Behandlung gemäß des Behandlungsplans des Zahnarztes sei medizinisch notwendig und die Kosten seien gebührenkonform kalkuliert.
Entscheidungsanalyse:
Die 47. Zivilkammer des LG Stuttgart hat geurteilt, dass die klagende Versicherungsnehmerin gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB von dem beklagten Krankenversicherer die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen kann. Die Parteien seien durch die private Zusatzversicherung vertraglich verbunden. Nach Überzeugung der Kammer hat die Beklagte ihre Pflicht aus Ziff. 2.1 der für den Tarif Prodent der Klägerin geltenden Versicherungsbedingungen i. V. m. § 1 Abs. 2 der AVB verletzt, indem sie trotz medizinischer Notwendigkeit die Pflicht zur grundsätzlichen Erstattung der zahnimplantologischen Behandlung ablehnte. Die Kammer erläutert, dass hier nach den Versicherungsbedingungen vom Versicherungsumfang Aufwendungen für den Zahnersatz einschließlich des zahnärztlichen Honorars umfasst sind, der Höhe nach begrenzt abhängig von Leistungen der GKV. Das LG weist darauf hin, dass der Heil- und Kostenplan des Zahnarztes insbesondere die Einbringung von 18 BCS-Implantaten bei der zahnlosen Klägerin vorsieht. Diese Versorgung ist zur Überzeugung des Gerichts medizinisch notwendig. Die Behandlung sei daher vom Versicherungsumfang erfasst. Nach Ansicht des LG, das der Sachverständigen folgt, ist der Vorteil der nahezu sofortigen Belastbarkeit und der leichteren Reinigung bzw. des leichteren Austausches bei den BCS-Implantaten ebenfalls erheblich. Die Behandlung mit BCS-Implantaten stelle aufgrund dieser erheblichen Vorteile keine überzogene Maßnahme dar, sondern eine anerkannte und gleichermaßen geeignete Möglichkeit zur Versorgung mit einem Zahnersatz. Aus Sicht des LG wurde hier außerdem der Heil- und Kostenplan auch der Höhe nach ordnungsgemäß erstellt.
Praxishinweis:
Das LG Stuttgart verdeutlicht in diesem Urteil auch den Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer möglicherweise erstattungsfähigen Behandlung. Medizinische Notwendigkeit liegt nach Worten des LG vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen (BGH, Urteil vom 29.03.2017 - IV ZR 533/15). Sind mehrere Behandlungsmaßnahmen denkbar oder geeignet, besteht die Leistungspflicht nur für diejenige, die mit dem geringsten medizinischen Eingriff und Behandlungsumfang verbunden ist. Aus medizinischer Sicht überzogene Maßnahmen stehen von vornherein nicht unter Versicherungsschutz, macht des LG deutlich.
Eine Organisation, der Sie vertrauen können
Die medizinische Notwendigkeit einer Versorgung mit bestimmten Zahnimplantaten
2024/10/27

Marius Schrömbgens
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