von Dr. Ulrich Rösch & Dr. Marc Laukemann*



Einleitung

Zum 13. Dezember 2024 tritt die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (Verordnung (EU) 2023/988, auch GPSR genannt) in Kraft. Sie ersetzt die bisherige Produktsicherheitsrichtlinie von 2001 und bringt erhebliche Neuerungen für Hersteller, Importeure, Händler und Verkaufsplattformen, die Verbraucherprodukte auf den europäischen Markt bringen. Für Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, ergeben sich neue Pflichten, vor allem in Bezug auf die Bereitstellung und den Austausch sicherheitsrelevanter Informationen.

Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Änderungen dar und gibt einen praxisnahen Überblick über die neuen Informationspflichten und ihre Konsequenzen.


Wichtige Neuerungen und Begriffe

1. Wirtschaftsakteure und Verkaufsplattformen

Im Unterschied zur bisherigen Richtlinie, die hauptsächlich Hersteller und Händler im Blick hatte, werden durch die GPSR nun eine größere Anzahl von „Wirtschaftsakteuren“ definiert (Art. 3 Nr. 13 GPSR). Diese Akteure umfassen Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure, Händler sowie Fulfillment-Dienstleister. Fulfillment-Dienstleister sind dabei besonders relevant, da sie durch ihre Rolle in der Lieferkette zunehmend Einfluss auf die Produktsicherheit haben.

Verkaufsplattformen hingegen gelten nach der GPSR nicht als Wirtschaftsakteure, müssen jedoch bestimmte Pflichten erfüllen, um die Produktsicherheit zu gewährleisten, insbesondere im Rahmen des Online-Handels.

2. Einführung des Safety Business Gateway

Ein zentrales neues Element ist das Safety Business Gateway (Art. 27 GPSR). Dieses digitale Portal dient dem verpflichtenden Austausch sicherheitsrelevanter Informationen zwischen Wirtschaftsakteuren und den Marktüberwachungsbehörden. Alle Akteure müssen sicherstellen, dass sie dieses System zur Meldung von Produktmängeln, Risiken und Unfällen nutzen. Versäumnisse bei der Nutzung können mit Geldbußen geahndet werden.

3. Meldepflichten und Marktüberwachung

Ein weiteres wichtiges Element der neuen Verordnung ist die enge Kooperation mit den Marktüberwachungsbehörden. Die GPSR sieht vor, dass Hersteller, Importeure und Händler verpflichtet sind, relevante Unterlagen bereitzustellen und mit den Behörden zusammenzuarbeiten (Art. 14 GPSR). Neu ist die Verpflichtung zur Nutzung von digitalen Kommunikationskanälen, um eine schnelle Übermittlung von Informationen sicherzustellen. Die GPSR zielt darauf ab, Mängel und Risiken frühzeitig zu erkennen und zu beheben, um den Verbraucherschutz zu verbessern.



Die wichtigsten Pflichten im Detail

1. Herstellerpflichten

Hersteller tragen weiterhin die Hauptverantwortung für die Sicherheit von Produkten, die in der EU verkauft werden. Ab dem 13. Dezember 2024 gelten insbesondere folgende Pflichten:

  1. Sicherstellung der Produktsicherheit: Hersteller dürfen nur sichere Produkte in Verkehr bringen (Art. 9 Abs. 1 GPSR).
  2. Durchführung einer Risikoanalyse: Hersteller müssen eine Risikoanalyse durchführen und technische Unterlagen für den Nachweis der Produktsicherheit bereithalten (Art. 9 Abs. 2 GPSR). Diese Unterlagen müssen auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörden zur Verfügung gestellt werden.
  3. Meldung von gefährlichen Produkten: Hersteller sind verpflichtet, unverzüglich die Marktüberwachungsbehörden zu informieren, wenn ein gefährliches Produkt festgestellt wird (Art. 9 Abs. 8 GPSR). Diese Meldung muss über das Safety Business Gateway erfolgen.
  4. Unterrichtung der Verbraucher: Bei einem Rückruf oder einer Sicherheitswarnung müssen Hersteller die betroffenen Verbraucher direkt und unverzüglich informieren (Art. 9 Abs. 8 lit. b GPSR).

Sanktionen: Bei Nichteinhaltung dieser Pflichten drohen den Herstellern Geldbußen von bis zu 10.000 Euro, insbesondere für Verstöße gegen Meldepflichten und die ordnungsgemäße Dokumentation der Produktsicherheit (siehe § 28 ProdSG-E).

2. Importeurspflichten

Importeure, die Produkte in die EU einführen, sind ebenfalls von den neuen Regelungen betroffen. Ihre Pflichten umfassen:

  1. Prüfung der Produktsicherheit: Importeure müssen sicherstellen, dass die von ihnen eingeführten Produkte sicher sind und den EU-Vorschriften entsprechen (Art. 11 Abs. 1 GPSR).
  2. Bereithaltung der technischen Unterlagen: Importeure müssen Kopien der technischen Unterlagen des Herstellers zehn Jahre lang aufbewahren und sie auf Verlangen den Marktüberwachungsbehörden zur Verfügung stellen (Art. 11 Abs. 6 GPSR).
  3. Meldung von gefährlichen Produkten: Bei Kenntnis von gefährlichen Produkten müssen Importeure die zuständigen Behörden informieren und dafür das Safety Business Gateway nutzen (Art. 11 Abs. 8 GPSR).

Sanktionen: Wie bei den Herstellern drohen auch den Importeuren Geldbußen von bis zu 10.000 Euro bei Verstößen gegen die Vorschriften.

3. Händlerpflichten

Händler müssen sicherstellen, dass die Produkte, die sie verkaufen, den EU-Sicherheitsanforderungen entsprechen. Sie haben die folgenden Pflichten:

  1. Informationspflicht: Händler müssen den Hersteller oder Importeur und die Marktüberwachungsbehörden informieren, wenn sie Kenntnis von gefährlichen Produkten erhalten (Art. 12 Abs. 4 GPSR).
  2. Sicherstellung der Produktsicherheit: Händler müssen sicherstellen, dass alle Sicherheitsanforderungen eingehalten werden, bevor sie ein Produkt auf den Markt bringen (Art. 12 GPSR).

Sanktionen: Händler, die ihre Pflichten verletzen, können ebenfalls mit Geldbußen belegt werden. Dabei werden ähnliche Sanktionen wie bei Herstellern und Importeuren angewendet.

4. Pflichten der Verkaufsplattformen

Verkaufsplattformen spielen eine zentrale Rolle in der neuen GPSR. Sie müssen gewährleisten, dass Produkte, die auf ihren Plattformen angeboten werden, den Sicherheitsanforderungen entsprechen. Zu den Pflichten gehören:

  1. Unterstützung der Marktüberwachung: Plattformen müssen eine zentrale Kontaktstelle für die Marktüberwachungsbehörden einrichten (Art. 22 GPSR).
  2. Entfernung gefährlicher Produkte: Bei Anordnung durch die Marktüberwachungsbehörden müssen Plattformen gefährliche Produkte von der Plattform entfernen und die Behörden über die durchgeführten Maßnahmen informieren (Art. 22 Abs. 4 GPSR).
  3. Meldung von Unfällen: Wenn ein Produkt, das über die Plattform verkauft wurde, zu einem Unfall geführt hat, müssen die Plattformbetreiber die Marktüberwachungsbehörden unverzüglich informieren (Art. 22 Abs. 12 GPSR).

Sanktionen: Plattformen, die ihre Pflichten nicht erfüllen, drohen ebenfalls hohe Geldbußen, insbesondere bei der Verletzung von Meldepflichten und der Zusammenarbeit mit Behörden.



Sanktionen bei Pflichtverletzungen

Die Nichtbeachtung der neuen Pflichten kann in den meisten EU-Mitgliedstaaten als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. In Deutschland sieht der Entwurf des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG-E) Bußgelder von bis zu 10.000 Euro vor. Sanktionen drohen insbesondere bei:

  1. Verletzung der Meldepflichten gegenüber den Marktüberwachungsbehörden.
  2. Nichteinhaltung der Formvorgaben, wie der Nutzung des Safety Business Gateway.
  3. Unzureichender oder verspäteter Unterrichtung der Verbraucher bei Rückrufen und Sicherheitswarnungen.


Zusammenfassung der wichtigsten Pflichten

Wirtschaftsakteur

Pflicht

Rechtsnorm

Hersteller

Durchführung einer Risikoanalyse und Bereithaltung technischer Unterlagen

Art. 9 Abs. 2 GPSR


Meldung gefährlicher Produkte an Marktüberwachungsbehörden

Art. 9 Abs. 8 GPSR


Direkte Information der Verbraucher bei Rückrufen

Art. 9 Abs. 8 lit. b GPSR

Importeur

Prüfung der Produktsicherheit und Meldung gefährlicher Produkte

Art. 11 Abs. 1, Abs. 8 GPSR


Bereithaltung und Vorlage technischer Unterlagen

Art. 11 Abs. 6 GPSR

Händler

Informationspflicht bei Kenntnis gefährlicher Produkte

Art. 12 Abs. 4 GPSR

Verkaufsplattformen

Einrichtung einer Kontaktstelle und Entfernung gefährlicher Produkte

Art. 22 Abs. 1, Abs. 4 GPSR


Meldung von Unfällen an Marktüberwachungsbehörden

Art. 22 Abs. 12 GPSR




Über Dr. Ulrich Rösch und LFR Wirtschaftsanwälte

Dr. Ulrich Rösch ist Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht und  ebenso wir Dr. Marc Laukemann, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Handels- und Gesellschaftsrecht, Gründungspartner bei LFR Wirtschaftsanwälte. Dr. Rösch berät Unternehmen zu internationalen Rechtsfragen, insbesondere in den Bereichen Produktsicherheit und Produkthaftung. Ein wichtiger Beratungsschwerpunkt von Dr. Laukemann sind digitale Geschäftsmodelle. LFR Wirtschaftsanwälte steht Unternehmen beratend zur Seite, um sie auf die neuen Anforderungen des EU-Produktsicherheitsrechts vorzubereiten und deren Compliance sicherzustellen.

Weitere Informationen unter: Handels- und Vertragsrecht - LFR Wirtschaftsanwälte (lfr-law.de)