Zum Sachverhalt
Der Angeklagte und Mitangeklagte wurden für eine Vorführung beim Haftrichter gemeinsam in einer Gewahrsamszelle untergebracht. Das Amtsgericht hatte zuvor die akustische Innenraumüberwachung dieses Raums angeordnet. Die Ermittlungsbeamten sagten den Angeklagten wahrheitswidrig, dass sie zusammen untergebracht werden, da die anderen Zellen belegt seien. Während der Überwachung wurde ein Gespräch aufgezeichnet, in welchem der Angeklagte versuchte, den Mitangeklagten zu überreden, die Tatverantwortung auf sich zu nehmen und mithin den Angeklagten zu entlasten.
Der Angeklagte widersprach der Verwertung des Gesprächs in der Hauptverhandlung, das Landgericht Trier sah es jedoch als verwertbar an.
Zum Beschluss des BGH (Beschluss vom 23.07.2024 – 3 StR 134/24 (LG Trier))
Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren wird aus dem Rechtsstaatprinzip und den Freiheitsgrundrechten des Grundgesetzes abgeleitet. Menschen dürften nicht zu einem bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabgewürdigt werden und der Staat wird zu einem korrekten Verfahren verpflichtet. Die Ausgestaltung des Strafverfahrensrechts obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber und dann den Gerichten bei der Rechtsanwendung und Auslegung.
Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt auch vor, wenn die Gesamtschau auf das Verfahrensrecht zwingenden rechtsstaatlichen Folgerungen nicht genügt. Dabei spielt auch die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege mit hinein. Dies steht im Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip, da ohne eine funktionsfähige Strafrechtspflege Gerechtigkeit nicht hergestellt werden kann.
Das Recht auf ein faires Verfahren umfasst auch das Recht eines Angeklagten auf die Wahrung seiner Aussage- und Entschließungsfreiheit im Strafverfahren. Dies ist im verfassungsrechtlichen Gebot der Selbstbelastungsfreiheit („Nemo-Tenetur-Grundsatz“) und in den § 136a und § 163a der Strafprozessordnung (StPO) normiert. Dieses Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung meint, dass in einem Strafverfahren niemand dazu gezwungen werden darf, sich durch eine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zur Überführung aktiv beizutragen.
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sieht das Schweigerecht eines Beschuldigten und seine Entscheidungsfreiheit auszusagen oder zu schweigen verletzt, wenn die Strafverfolgungsbehörden eine Täuschung anwenden, um dem Beschuldigten ein Geständnis oder andere belastende Angaben zu entlocken, welche nicht in einer Vernehmung erlangt werden konnten und so dennoch im Prozess als Beweise Einfluss finden sollen, obwohl sich der Beschuldigte zum Schweigen entschieden hat. Ob eine Missachtung des Schweigerechts zu einer Verletzung von Art. 6 MRK führt, ist einzelfallabhängig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens entscheidend, ob der Beschuldigte in einer vernehmungsähnlichen Situation gegen seinen Willen zu einer Selbstbelastung gedrängt wurde. Dabei ist relevant, ob sich der Beschuldigte in Haft befindet, sich schon und wenn, wie intensiv, auf sein Schweigerecht berufen hatte.
In dem vorliegenden Fall ist das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren nicht verletzt worden und das Vorgehen der Ermittlungsbeamten hinnehmbar. Dabei ist besonders relevant, dass mit der falschen Aussage der Ermittlungsbeamten, alle anderen Zellen seien belegt, keine wahrheitswidrige Aussage über das Abhören in den Gewahrsamszellen verbunden war. Es wurde den Angeklagten nicht vermittelt, dass sie sich dort ungestört und ohne Überwachung austauschen könnten.
Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.