Mit Urteil vom 4. September 2024 entschied das Arbeitsgericht Halle, dass die verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers einer vorherigen Abmahnung bedarf, anderenfalls diese aus Gründen der Verhältnismäßigkeit unwirksam ist (Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 4. September 2024, Aktenzeichen 4 Ca 1586/23).
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer wurde durch den Arbeitgeber wegen einer vermeintlichen Pflichtverletzung ohne vorherige Abmahnung gekündigt.
Der Arbeitgeber war der Meinung, dass der Arbeitnehmer durch sein Verhalten in außerordentlichem Maße gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe. Aufgrund der Schwere und der Folgen der Handlungen des Arbeitnehmers sei eine vorherige Abmahnung vor der ordentlichen Kündigung nicht erforderlich gewesen.
Der Arbeitnehmer bestritt die Pflichtverletzung und machte im Übrigen geltend, dass die verhaltensbedingte Kündigung auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit unwirksam sei, da es einer vorherigen Abmahnung bedurfte, die vorliegend unstreitig nicht erteilt worden war.
Das Arbeitsgericht schloss sich der Rechtsauffassung des von uns vertretenen Arbeitnehmers an und stellte fest, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam ist.
Begründet wurde dies durch das Arbeitsgericht Halle im Wesentlichen damit, dass die für eine gerechtfertigte verhaltensbedingte Kündigung erforderliche negative Prognose nicht vorliegt und die Kündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose. Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 Rn. 36).
Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 Rn. 37).
Danach war im vorliegenden Fall eine vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers nicht entbehrlich. Der Kündigungsschutzklage wurde stattgegeben (Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 4. September 2024, Aktenzeichen 4 Ca 1586/23).
Ein schöner Erfolg, den wir für den Arbeitnehmer erzielen konnten. Der Arbeitsplatz wurde gesichert !