Die Directors & Officers Liability Insurance (D&O-Versicherung) dient dem Schutz von Unternehmensleitern vor finanziellen Risiken durch Pflichtverletzungen. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs hat klargestellt, dass auch im Falle eines Insolvenzantrags die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) eingehalten werden müssen.
Sachverhalt: Ein Unternehmen meldete 2015 Insolvenz an. Der Insolvenzverwalter zahlte dennoch eine Prämie an die D&O-Versicherung, erhielt aber später die Mitteilung, dass der Vertrag mit Ablauf der Versicherungsperiode automatisch geendet habe. Eine Nachmeldefrist sei nicht vorgesehen. Nachdem ihm die Prämie erstattet wurde, klagte er gegen die Versicherung, um knapp 900.000 Euro zu erhalten, die ihm durch einen Vergleich mit zwei ehemaligen Vorständen abgetreten worden waren.
Entscheidung des BGH: Während die Vorinstanzen (LG und OLG Frankfurt am Main) die Klage abwiesen, entschied der BGH zugunsten des Insolvenzverwalters und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das OLG zurück. Die zentralen Erwägungen des BGH sind:
- Verstoß gegen Mindestkündigungsfrist: Nach § 11 Abs. 1 und 3 VVG muss bei einer ordentlichen Kündigung eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat gewahrt bleiben. Die Vertragsbedingungen, die eine automatische Beendigung des Versicherungsverhältnisses bei Insolvenzantrag vorsahen, widersprechen diesem Schutzmechanismus.
- Verhinderung eines "abrupten Endes" des Versicherungsschutzes: § 11 Abs. 3 VVG dient dazu, dem Versicherungsnehmer ausreichend Zeit zu geben, einen neuen Versicherungsschutz zu suchen. Die Klauseln, die eine automatische Vertragsbeendigung bei Insolvenzantrag vorsahen, nahmen dem Versicherungsnehmer diese Möglichkeit.
- AGB-rechtliche Unzulässigkeit der Klauseln: Da die betreffenden Vertragsbedingungen das Hauptleistungsversprechen der Versicherung einschränkten, unterlagen sie der Kontrolle nach § 307 BGB (AGB-Kontrolle) und wurden vom BGH als unangemessen benachteiligend eingestuft.
- Einschränkung der Nachmeldefrist unzulässig: Nach Auslegung der Klauseln sei für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht klar erkennbar, dass die Nachmeldefrist durch die bloße Stellung eines Insolvenzantrags ausgeschlossen werde.
Relevanz für Unternehmer und Geschäftsführer: Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Einhaltung gesetzlicher Mindestfristen in Versicherungsverträgen und den Schutz der Versicherten vor plötzlichem Verlust des Versicherungsschutzes. Unternehmer und Manager sollten ihre D&O-Versicherung auf solche Klauseln hin prüfen und sicherstellen, dass die vertraglichen Bedingungen keine unzulässigen Einschränkungen enthalten. Zudem kann es sinnvoll sein, rechtzeitig alternative Versicherungslösungen zu prüfen, um auch im Insolvenzfall ausreichend abgesichert zu sein.
Quelle: BGH vom 18.12.2024, IV ZR 151/23
Marcel Schmieder
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht