Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens-Arne Former*
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Az. 10 AZR 171/23) – Rechtsgrundlagen und Konsequenzen für die Praxis
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 03. Juli 2024 entschieden, dass die einseitige Festlegung von Bonuszielen durch den Arbeitgeber unzulässig ist und Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer auslösen kann, wenn die im Arbeitsvertrag vereinbarte Pflicht zur Zielvereinbarung verletzt wird. Diese Entscheidung basiert auf der Unwirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Arbeitsvertrag, die den Arbeitgeber berechtigen sollten, Ziele nach „billigem Ermessen“ festzulegen.
Der Fall: Verstoß gegen die Verhandlungspflicht
Im vorliegenden Fall ging es um einen „Development Director“ einer Schiffsholding, dessen Arbeitsvertrag eine Bonuszahlung an das Erreichen von jährlich zu vereinbarenden Zielen knüpfte. Nach Ablauf der Probezeit forderte der Angestellte, die vereinbarten Zielvorgaben auszuhandeln, wie es der Arbeitsvertrag vorsah. Stattdessen legte der Arbeitgeber die Ziele einseitig fest, gestützt auf eine Vertragsklausel, die ihm dies bei ausbleibender Einigung erlaubte.
Das BAG stellte klar, dass eine solche Klausel der AGB-Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB nicht standhält, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Die vertraglich vereinbarte Rangfolge – erst Verhandlung, dann Zielvorgabe – werde durch diese Klausel unterlaufen. Das Unternehmen wurde zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der ausgebliebenen Tantiemen verurteilt.
Rechtliche Bewertung: Warum die AGB unwirksam war
Das Gericht führte aus, dass die einseitige Festlegung von Zielen den Mitarbeiter in seiner Verhandlungsposition erheblich benachteilige. Auch wenn die Klausel an sich transparent formuliert war, erachtete das BAG sie als unangemessen, weil sie dem Mitarbeiter faktisch das Recht auf Verhandlungen entzog. Eine solche Benachteiligung widerspricht § 307 BGB, der eine ausgewogene Vertragsgestaltung fordert. Zudem verstieß der Arbeitgeber gegen seine Pflicht zur Durchführung der Verhandlungen gemäß § 280 Abs. 1 BGB, was zur Schadensersatzpflicht führte.
Was müssen Unternehmer beachten?
1. AGB sorgfältig gestalten und überprüfen
Unternehmer müssen sicherstellen, dass vertragliche Regelungen zur Zielvereinbarung nicht einseitig zugunsten des Arbeitgebers ausgestaltet sind. Selbst wenn eine Klausel verständlich formuliert ist, kann sie unwirksam sein, wenn sie den Mitarbeiter unangemessen benachteiligt. Das BAG hat hier klar gemacht, dass Transparenz alleine nicht ausreicht – die Inhalte müssen fair und ausgewogen sein.
2. Zielvereinbarungen ernst nehmen und proaktiv verhandeln
Häufige Praxisfehler wie das „Einschlafen“ von Bonusverhandlungen oder das bewusste Ignorieren der Pflicht zur Zielvereinbarung können teuer werden. Unternehmer sollten darauf achten, Verhandlungen über Zielvorgaben regelmäßig und ernsthaft zu führen. Besonders problematisch wird es, wenn Bonusverhandlungen im Vertrag angekündigt, dann aber vergessen oder verschleppt werden. Dies kann Schadensersatzansprüche auslösen.
3. Verhandlungsbereitschaft dokumentieren
Es ist wichtig, die Bereitschaft zur Verhandlung über Bonusziele zu dokumentieren und den Arbeitnehmer aktiv einzubinden. Nachlässigkeiten, bewusste Verzögerungen oder gar das vollständige Ignorieren der Verhandlungspflicht können für Unternehmen zu einem rechtlichen Bumerang werden, wie das vorliegende Urteil zeigt.
Worauf sollten Arbeitnehmer achten?
Arbeitnehmer sollten ihr Recht auf Verhandlungen über Zielvereinbarungen aktiv einfordern und ihre Verhandlungsbereitschaft dokumentieren. Es reicht nicht aus, passiv zu warten, dass der Arbeitgeber auf sie zukommt. Wichtig: Oftmals sind in Arbeitsverträgen Ausschlussfristen vorgesehen, die Schadensersatzansprüche verhindern können, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Allerdings beginnt die Frist in der Regel erst zu laufen, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich die Verhandlungen verweigert. Ein bloßes Schweigen oder Verzögern reicht nicht aus.
Fazit: Transparente Verhandlungen sind Pflicht
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass die Pflicht zur Verhandlung von Zielvereinbarungen nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Unternehmen müssen ihre Arbeitsverträge und insbesondere ihre AGB-Klauseln sorgfältig prüfen und darauf achten, dass sie den Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Verhandlung über Zielvorgaben bieten. Unternehmer, die diese Verpflichtungen ignorieren oder verschleppen, riskieren nicht nur erhebliche Schadensersatzansprüche, sondern auch eine nachhaltige Störung des Arbeitsverhältnisses.
Über Jens-Arne Former und LFR Wirtschaftsanwälte
Jens-Arne Former ist Gründungspartner bei LFR Wirtschaftsanwälte und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Mit über 20 Jahren Erfahrung berät er Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des Arbeitsrechts, insbesondere in der Vertragsgestaltung und bei der Verhandlung von Bonusvereinbarungen. Er ist bekannt für seine praxisnahe Beratung, die Unternehmen hilft, rechtliche Fallstricke zu vermeiden und Arbeitsverträge rechtssicher zu gestalten. Weitere Informationen unter: https://www.lfr-law.de/arbeitsrecht