Enterbung wegen unerwünschter Eheschließung: Wann ist ein Testament sittenwidrig?
Die Testierfreiheit erlaubt es Erblassern grundsätzlich, die Erbfolge nach ihren Wünschen zu gestalten. Allerdings stößt diese Freiheit an Grenzen, wenn testamentarische Verfügungen sittenwidrig sind. Ein aktueller Fall des Oberlandesgerichts (OLG) München beleuchtet die Frage, ob die Enterbung eines Kindes aufgrund einer unerwünschten Eheschließung sittenwidrig ist.
Der Fall: Enterbung bei Heirat einer bestimmten Person
Ein Gastronom verfügte in seinem handschriftlichen Testament, dass sein Sohn enterbt wird, sollte er seine Lebensgefährtin heiraten. Trotz dieser Anordnung heiratete der Sohn die besagte Frau. Nach dem Tod des Vaters beantragte der andere Sohn einen Erbschein als Alleinerbe, während der enterbte Sohn die Sittenwidrigkeit der Enterbungsklausel geltend machte. Das Nachlassgericht gab ihm zunächst recht, doch das OLG München entschied anders.
Entscheidung des OLG München: Keine Sittenwidrigkeit
Das OLG München stellte fest, dass die Klausel nicht sittenwidrig sei. Es verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der in einem ähnlichen Fall die Bedingung, dass ein Erbe sich von seiner Ehefrau scheiden lassen müsse, um zu erben, nicht als sittenwidrig ansah. Das Gericht betonte, dass die Testierfreiheit des Erblassers gemäß Artikel 14 Grundgesetz (GG) in diesem Fall gegenüber der Eheschließungsfreiheit des Sohnes überwiege. Der durch die Bedingung ausgeübte Druck sei gering, da der Sohn keine gesicherte Rechtsposition über den Pflichtteil hinaus gehabt habe.
Fazit
Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht, dass die Anordnung einer Enterbung aufgrund der Heirat mit einer bestimmten Person nicht zwangsläufig sittenwidrig ist. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Erblasser sollten bei der Gestaltung ihres Testaments sorgfältig prüfen, ob ihre Anordnungen rechtlich zulässig sind, um spätere Anfechtungen zu vermeiden.