Von Maximilian Graf von Montgelas und Dr. Christian Ruso, FA für Steuerrecht



In unserer Reihe „Rechtsprechungsnews“ beleuchten wir aktuelle Entscheidungen der höchsten deutschen Gerichte und deren Bedeutung für die Praxis. In diesem Beitrag widmen wir uns einer jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), die zentralen Fragen zum steuerlichen Freibetrag für Enkelkinder im Erbfall klärt. Konkret geht es um die Auswirkungen eines Erbverzichts der Eltern auf die steuerliche Behandlung des Nachlasses. Das Urteil wirft nicht nur spannende Fragen zum Erbrecht, sondern auch zur Auslegung der erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften auf. Welche Konsequenzen sich daraus für betroffene Familien und die Gestaltung von Nachfolgeregelungen ergeben, erfahren Sie in diesem Artikel.


Worum ging es in dem Fall ?

Ein Enkelkind wollte steuerlich vom Erbverzicht seines Vaters profitieren: Der Vater hatte noch zu Lebzeiten notariell auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet und galt zivilrechtlich gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB als „verstorben“ – zumindest im zivilrechtlichen Sinne. Dadurch wurde der Enkel gesetzlicher Erbe seines Großvaters. Auf dieser Grundlage forderte er den höheren Freibetrag von 400.000 Euro, der gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG den Kindern des Erblassers zusteht. Das Finanzamt gewährte ihm jedoch lediglich den Freibetrag für Enkel, deren Eltern noch leben – 200.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).


Rechtliche zu klären war somit die Frage:

Kann der Enkel unter diesen Umständen den höheren Freibetrag geltend machen? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Frage in seinem Urteil vom 31. Juli 2024 (Az. II R 13/22) entschieden – und zwar eindeutig verneint. Entscheidend, so der BFH, sei, dass die Elterngeneration tatsächlich verstorben sein muss, um den höheren Freibetrag zu beanspruchen. Ein bloßer Erbverzicht reicht hierfür nicht aus.


Hintergründe der Entscheidung des BFH

Wie schon das Finanzgericht Niedersachsen, wies auch der BFH die Klage des Enkels ab. Die Argumente:

  1. Klare Regelung im Gesetz: Der höhere Freibetrag gilt laut § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nur für „Kinder verstorbener Kinder“. Diese Formulierung erfasst ausschließlich tatsächliche Todesfälle, nicht fiktive Vorversterben gemäß § 2346 BGB.
  2. Schutz der Steuerstaffelung: Die Staffelung der Freibeträge richtet sich nach der familiären Nähe. Kinder des Erblassers erhalten 400.000 Euro, Enkel nur 200.000 Euro – es sei denn, ihre Eltern sind tatsächlich verstorben. Damit wird verhindert, dass durch Erbverzicht doppelte Freibeträge genutzt werden.
  3. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Der BFH stellte klar, dass diese Regelung weder gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) noch gegen die Erbrechtsgarantie (Art. 14 GG) verstößt. Der Gesetzgeber darf solche Differenzierungen treffen.


Was bedeutet das für Erblasser, Erben und Unternehmer?

  1. Für Erblasser: Ein Erbverzicht der Kinder kann die Nachfolge klären, ändert aber nichts an der erbschaftsteuerlichen Freibetragsregelung für Enkel.
  2. Für Erben: Enkel sollten bei ihrer Planung berücksichtigen, dass der höhere Freibetrag nur bei tatsächlichem Tod der Elterngeneration greift.
  3. Für Unternehmer: Bei der Nachfolgeplanung sollte die steuerliche Freibetragsregelung im Detail geprüft werden, um Überraschungen zu vermeiden.


Fazit
Der BFH hat klargestellt: Das Erbschaftssteuerrecht folgt nicht den Fiktionen des Zivilrechts. Ein Erbverzicht der Eltern schafft keine steuerliche Gleichstellung mit einem tatsächlichen Vorversterben. Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Planung und Beratung in der Nachfolgegestaltung ist – sowohl zivil- als auch steuerrechtlich.



Ihr Ansprechpartner
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Maximilian Graf von Montgelas und Dr. Christian Ruso, Fachanwalt für Steuerrecht, Experte im Steuerrecht und in der Vermögensnachfolge, verfasst. Die Kanzlei LFR Wirtschaftsanwälte unterstützt Unternehmer, Erblasser und Erben in allen Fragen des Erbrechts und der steuerlichen Nachfolgeplanung. Besuchen Sie uns auf www.lfr-law.de/erbrecht-vermögensnachfolge, um mehr über unsere Expertise in der Vermögensnachfolge zu erfahren.