Wenn Verteidiger Schriftsätze formwidrig (elektronisch) übermitteln, ist dies Angeklagten nicht als eigenes Verschulden zuzurechnen.
Zum Sachverhalt
Die Angeklagte wurde am 15. Dezember 2023 wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Am 21. Dezember 2023 hat die Verteidigerin der Angeklagten beim Landgericht Revision eingelegt, welche am gleichen Tag zugegangen ist. Der Revisionsschriftsatz wurde von einer Kanzleiangestellten über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ohne qualifizierte elektronische Unterschrift durch eine beA-Mitarbeiterkarte übermittelt. Der Generalbundesanwalt hat am 11. Juni 2024 beantragt, dem Revisionsverteidiger am 4. Juli 2024 zugegangen, die Revision der Angeklagten als unzulässig zu verwerfen und die Formunwirksamkeit dieser gem. §§ 32d S. 2, 32a Abs. 3, Abs. 4 StPO aufgezeigt.
Am 10. Juli 2024 hat der Revisionsverteidiger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Revisionseinlegung gestellt. Begründet hat er dies damit, dass die Angeklagte die Revision am 20. Dezember 2023 morgens bei ihrer Verteidigung beauftragte und diese ihr versichert habe, die Revision am 21. Dezember 2023 einzulegen. An diesem Tag wurde der Angeklagten per E-Mail bestätigt, dass ihre Revision auftragsgemäß „soeben per beA“ bei Landgereicht eingereicht wurde. Anbei war eine Abschrift der Revisionseinlegung. Die Angeklagte hat am 4. Juli 2024 erstmals über ihren Verteidiger von der Formunwirksamkeit ihrer Revision erfahren.
Zum Beschluss des BGH vom 24. Juli 2024 (1 StR 283/24)
Der Angeklagten ist die Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Revisionseinlegung gegen das Urteil zu gewähren.
Die Angeklagte hatte die Einlegungsfrist der Revision (§341 Abs. 1 StPO) versäumt. Verteidiger und Rechtsanwälte müssen die Revision mit ihrer Begründung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 32d S. 2 StPO). Dies ist eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, was bei einer Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit führt. Da die Revisionseinlegung vom 21. Dezember 2023 nicht qualifiziert elektronisch signiert oder einfach signiert wurde und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 32a Abs. 4 StPO übermittelt worden ist, genügt diese den Anforderungen nicht. Ein sicherer Übermittlungsweg liegt beispielsweise bei einer Übermittlung zwischen einem beA und der elektronischen Poststelle einer Behörde oder eines Gerichts vor. Dafür müsste der Verteidiger, dessen Name als einfache Unterschrift im Schriftsatz als verantwortende Person steht, die Übermittlung selbst ausführen, auch über sein eigenes Postfach. Das Recht nicht qualifiziert elektronisch unterschriebene Dokumente formwahrend über beA zu verschicken, kann ein Rechtsanwalt nicht auf Dritte übertragen (§ 23 Abs. 3 S. 5 RAVPV). Wenn über einen Boten übersendet wird, wie hier durch einen Mitarbeiter mit einer Berechtigung, ist die Authentizität des elektronischen Dokuments nicht gesichert.
Wie der Revisionsverteidiger der Angeklagten glaubhaft aufgezeigt hat, trifft die Angeklagte an dem Fristversäumnis keine Schuld (§ 45 Abs. 2 S. 1 StPO). Der Angeklagten wird das Verschulden des Verteidigers bei der formwidrigen Schriftsatzübermittlung nicht als eigenes zugerechnet. Sie hatte die Revision rechtzeitig bei ihrer Verteidigerin veranlasst und sich diese auch bestätigen lassen. Mehr Informationen zur Übermittlung hatte sie nicht. Mithin konnte sie auf eine formwirksame und rechtzeitige Revisionseinlegung vertrauen. Dass die Revision nicht formgerecht und somit nicht wirksam eingelegt wurde, liegt lediglich an dem, der Angeklagten nicht zurechenbaren, Verhalten ihres Verteidigers.
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Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.