Im August 2023 hat das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung gefällt, die viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber betrifft: Müssen Arbeitnehmer auch nach Dienstschluss erreichbar sein? Das Gericht stellte klar, dass dies unter bestimmten Umständen der Fall ist.

Der Fall: Notfallsanitäter und SMS-Benachrichtigungen

Im verhandelten Fall ging es um einen Notfallsanitäter, der in einem flexiblen „Springerdienst“ arbeitete. Seine Einsatzzeiten wurden oft kurzfristig per SMS mitgeteilt. An zwei Tagen im Jahr 2021 versäumte der Sanitäter, diese Nachrichten rechtzeitig zu lesen, und erschien nicht zur Arbeit. Sein Arbeitgeber sah dies als unentschuldigtes Fehlen, zog Stunden von seinem Zeitkonto ab und erteilte ihm eine Abmahnung.

Der Arbeitnehmer klagte daraufhin und argumentierte, er sei nicht verpflichtet, in seiner Freizeit auf dienstliche Mitteilungen zu achten. Doch das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten des Arbeitgebers: Der Sanitäter hätte die SMS rechtzeitig zur Kenntnis nehmen müssen.

Die Entscheidung: Erreichbarkeit als Pflicht

Das Gericht stellte fest, dass die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit in diesem Fall eine Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses ist. Diese Pflicht steht in engem Zusammenhang mit der Hauptarbeitsleistung und ist insbesondere dann relevant, wenn kurzfristige Änderungen des Dienstplans möglich sind.

In diesem Fall war dem Sanitäter bewusst, dass seine Schicht erst am Abend vor dem Einsatz konkretisiert werden würde. Deshalb hätte er spätestens am Vorabend die Mitteilung seines Arbeitgebers überprüfen müssen. Das Versäumnis rechtfertigte die Abmahnung und den Abzug der Arbeitsstunden.

Was bedeutet das für die Praxis?

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat weitreichende Konsequenzen für viele Branchen, in denen flexible Arbeitszeiten oder kurzfristige Schichtänderungen üblich sind – etwa im Gesundheitswesen, bei Rettungskräften oder in der Gastronomie. Arbeitgeber können sich nun darauf verlassen, dass ihre Mitarbeiter auch nach Feierabend dienstliche Nachrichten zur Kenntnis nehmen müssen, wenn dies vertraglich oder betrieblich vorgesehen ist.

Für Arbeitnehmer bedeutet dies jedoch eine zusätzliche Verpflichtung. Sie müssen sicherstellen, dass sie auch in ihrer Freizeit auf entsprechende Mitteilungen reagieren können. Das Urteil zeigt, dass die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit in manchen Berufen zunehmend verschwimmen.

Fazit

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Erreichbarkeit in der Freizeit ist wegweisend. Es zeigt, dass Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen verpflichtet sind, auch nach Feierabend erreichbar zu sein. Gleichzeitig verdeutlicht es, dass Arbeitgeber klare Regelungen zur Kommunikation und Erreichbarkeit schaffen müssen, um Missverständnisse zu vermeiden.

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