Grundschuld und Baudarlehen: Anspruch des Schuldners und Grenzen der Übersicherung nach BGH-Rechtsprechung
Des Öfteren kommt es vor, dass die erwerbende Partei den Kaufpreis nicht vollständig aus eigenem Vermögen aufbringen kann und daher ein Darlehen zur Finanzierung bei der Bank aufnimmt. Im Darlehensvertrag werden sodann die Bedingungen des Darlehens, wie zum Bespiel der Zinssatz und die Laufzeit, vereinbart. Allerdings verlangt die Bank in der Regel ein sog. Pfandobjekt als Sicherheit für den Fall, dass das Darlehen nicht vollständig vom Darlehensnehmer zurückgezahlt wird. Hierfür hat der Erwerber eine sog. Grundschuld zu bestellen, die in das Grundbuch einzutragen ist. Demzufolge räumt die Grundschuld der Bank das Recht ein, das Pfandobjekt bei einem Zahlungsausfall des Darlehensnehmers versteigern zu lassen.
Für die Bestellung einer Grundschuld finden die Vorschriften über die Hypothek gem. §§ 1191, 1192 I, 1115 ff. BGB entsprechende Anwendung.[1]Allerdings wird bei Grundschuld – anders als bei der Hypothek – keine Forderung vorausgesetzt.[2]
Zunächst ist eine dingliche Einigung gem. § 873 I BGB erforderlich, die den Gläubiger, den Sicherungsgeber und das belastende Grundstück bezeichnen (§ 1191 BGB) sowie zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Erwerber erfolgen.[3] Eine Bezeichnung der gesicherten Forderung bedarf es hierbei jedoch nicht.[4] Darüber hinaus bedarf es einer Eintragung ins Grundbuch, deren Inhalt sich zur Bestellung einer Grundschuld aus § 1192 I, 1115 BGB ergibt: Einigung, Grundschuldgläubiger und Umfang der Sicherung.[5] Schließlich muss entweder eine Briefübergabe (§§ 1192 I, 1117 BGB) oder Aushändigungsabrede (§§ 1192 I, 1117 II BGB) erfolgen.[6] Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, so entsteht eine gesetzliche Eigentümergrundschuld (§§ 1192 I, 1163 II BGB), die dem Eigentümer zusteht.[7] Zu beachten ist, dass auch in diesem Fall eine Einigung mit dem Gläubiger sowie die Eintragung ins Grundbuch bereits vorliegen müssen.[8]
Ist eine Grundschuldeintragung einmal eingetragen, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner bzw. Darlehensnehmer einen Anspruch auf Freigabe der Grundschuld oder die Erteilung einer Freigabeerklärung durch die Bank hat.
Ein solcher Anspruch besteht insbesondere nach vollständiger Tilgung des Darlehens, da der Sicherungszweck der Grundschuld entfällt. Fall.[9] Infolgedessen entsteht eine Eigentümergrundschuld (§§ 1142, 1143 BGB).[10] Zu beachten ist jedoch, dass der Eigentümer nicht zu einer Teilleistung berechtigt ist.[11] Der Schuldner kann in diesem Zusammenhang entweder die Löschung oder Rückübertragung der Grundschuld verlangen.[12] Bestehen keine offenen Forderungen mehr oder ist die Sicherheit unverhältnismäßig hoch, fehlt es zudem an einem schutzwürdigen Interesse der Bank an der Aufrechterhaltung der Grundschuld.[13]
Zum anderen ist dies bei einer Übersicherung der Fall, wenn der Wert der Sicherheit in erheblichem Maße den Wert des Sicherungszweck übersteigt.[14] Man unterscheidet hierbei zwischen anfänglicher und nachträglicher Übersicherung.
Bei einer anfänglichen Übersicherung muss ein grobes Missverhältnis zwischen dem Sicherungswert und der Höhe der gesicherten Forderung sowie eine verwerfliche Absicht vorliegen.[15] Nach Auffassung des BGH besteht eine Übersicherung, wenn der Sicherheitswert den Forderungswert um mehr als 110 % übersteigt.[16] Sind diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt, ist das gesamte Sicherungsgeschäft – einschließlich die Sicherungsübereignung und des Sicherungsvertrags – gem. § 138 I BGB nichtig.[17] Allerdings reicht die bloße Überschreitung der Deckungsgrenzen von 110 % allein noch nicht aus, um ein grobes Missverhältnis zu begründen.[18] Entscheidend ist vielmehr, dass bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv erkennbare Umstände vorlagen, die auf eine Übersicherung im Verwertungsfall hindeuteten.[19]
Bei einer nachträglichen Übersicherung wird die gesicherte Forderung nachträglich vermindert oder der Sicherheitsawert erhöht.[20] Um dies zu vermeiden, können die Parteien individualvertraglich oder durch AGB (§ 305 ff. BGB) eine Freigabe von Sicherheiten vereinbaren.[21] Der BGH ist jedoch der Ansicht, dass weder eine bestimmte Deckungsgrenze noch vereinbarte Freigaberegelung oder Klausel zur Bewertung von Sicherungsgegenständen Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Globalsicherungsvertrags darstellt.[22] Ein Freigabeanspruch ergibt sich vielmehr aus dem Sicherungsvertrag, insbesondere aus seiner ergänzenden Auslegung.[23] Daraus folgt, dass der Gläubiger – auch ohne ausdrückliche Vereinbarung – zur Freigabe von Sicherheiten verpflichtet ist, wenn der Marktwert der Sicherheiten den Forderungswert um mehr als 110 % überschreitet.[24]
Da der realisierbare Wert der Sicherheit häufig unter dem Marktwert liegt und oft unbestimmt ist, legt der BGH in Anwendung des § 237 BGB den legitimen Sicherungswert auf 150 % fest.[25] Wird dieser Wert überschritten, besteht die widerlegbare Vermutung für eine Übersicherung, sodass der Sicherungsgeber dennoch einen Anspruch auf Freigabe von Sicherheiten hat.[26] Zahlt der Darlehensnehmer nur ein Teilbetrag zurück und liegt eine Übersicherung vor, kann er eine Teilfreigabe der Sicherheit verlangen.
Weiterhin stellt sich die Frage, ob der Darlehensgeber einen Anspruch auf Teilfreigabe der Grundschuld hat. Die Freigabe von Sicherheiten dient jedoch primär dem Schutz des Darlehensnehmers, sodass dem Darlehensgeber ein solcher Anspruch nicht zusteht.[27] Unter den genannten Voraussetzungen kann daher ausschließlich der Darlehensnehmer die Teilfreigabe oder Rückgewähr der Grundschuld verlangen.
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[1] Lücke, SachenR, § 19 Rn. 754.
[2] Lücke, SachenR, § 19 Rn. 755.
[3] Lücke, SachenR § 19 Rn. 755.
[4] Lücke, SachenR § 19 Rn. 755.
[5] Lücke, SachenR § 19 Rn. 756.
[6] Lücke, SachenR § 19 Rn. 757.
[7] Lücke, SachenR § 19 Rn. 757.
[8] Lücke, SachenR § 19 Rn. 757.
[9] Wieling, SachenR, § 32 Rn. 18.
[10] Wieling, SachenR, § 32 Rn. 18.
[11]Wieling, SachenR, § 32 Rn. 18.
[12] BGH, Urt. 27.01.1983 – IX ZR 40/82; BGH Urt. 07.03.2008 – V VZ 216/06.
[13] BGH Urt. 07.03.2008 – V VZ 216/06.
[14] Vgl. Wieling, SachenR, § 18 Rn. 6.
[15] OLG Hamm, Urt. 15.01.2015 – I-5 U 81/14.
[16] OLG Hamm, Urt. 15.01.2015 – I-5 U 81/14.
[17]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 8.
[18]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 8.
[19]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 7.
[20]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 7.
[21]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 7.
[22] BGHZ 137, 212; Wieling, SachenR, § 18 Rn. 7.
[23] BGH NJW 1998, 671, (672).
[24]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 8.
[25]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 8.
[26]Wieling, SachenR, § 18 Rn. 8.
[27] Vgl. BGH Urt. 02.06.2022, V ZR 132/21.