Als Grundschulempfehlung bezeichnet man die Stellungnahme der Grundschulen in Baden-Württemberg, welche weiterführende Schule das Kind in Zukunft besuchen soll. Für Baden-Württemberg kommen aktuell in Betracht:

  • Grundschulempfehlung Gymnasium
  • Grundschulempfehlung Realschule

Mit dieser Grundschulempfehlung melden Eltern dann ihre Kinder in der weiterführenden Schule an.

Verbindliche Grundschulempfehlung bis 2011/2012:

Die Grundschulempfehlung ist seit jeher in der Aufnahmeverordnung geregelt.

Bis zum Jahr 2011 war die Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg tatsächlich keine bloße Empfehlung, sondern verbindlich.

D.h. wenn ein Kind "nur" eine Realschulempfehlung erhalten hatte, dann durften die Eltern dieses Kind nicht an einem Gymnasium anmelden.

Weitere Möglichkeiten sich über die Grundschulempfehlung der Schule hinwegzusetzen, waren das erfolgreiche Durchlaufen eines Beratungsverfahrens bzw. das Bestehen eines Aufnahmetests, wobei die Erfolgsquoten sehr gering waren.

Dies führte zu zahlreichen Beschwerdeverfahren gegen die Grundschulempfehlung, da die Chance am größten war, diese noch abzuändern, anstatt die vagen Chancen des Beratungsverfahrens sowie des Aufnahmetests wahrzunehmen.

Eine Ausnahme bildeten damals die Privatschulen: Diese nahmen oftmals auch Kinder ohne entsprechende Grundschulempfehlung auf und dienten daher als Fluchtweg, wenn man die Grundschulempfehlung nicht erfolgreich anfechten konnte.

Unverbindliche Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg von 2011/2012 bis voraussichtlich 2023/2024:

Im Jahr 2011 änderte sich diese Rechtslage zugunsten einer bloßen unverbindlichen Empfehlung, d.h. seither durften Eltern ihr Kind beispielsweise auch an einem Gymnasium anmelden, wenn es "nur" eine Realschulempfehlung aufweist:

§ 3 Entscheidung der Erziehungsberechtigten, Vorlage der Grundschulempfehlung

Die Erziehungsberechtigten entscheiden, welche weiterführende Schulart ihr Kind besucht. Sie legen die Grundschulempfehlung nach § 5 Absatz 2 Satz 5 SchG der aufnehmenden Schule bei der Anmeldung vor.

Diese Rechtslage ist zum Schuljahr 2024/2025 weiterhin in Kraft, soll aber nunmehr während des laufenden Schuljahres für das laufende Schuljahr geändert werden!

Die Änderungen der Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg zum Schuljahr 2024/2025:

Im Zusammenhang mit der geplanten Rückkehr zu G9-Gymnasien in Baden-Württemberg traten nunmehr Befürchtungen auf, dass zu viele Kinder künftig ein Gymnasium besuchen wollen.

Aus diesem Grunde leitete die Landesregierung nunmehr die Rückkehr zu einer verbindlichen Grundschulempfehlung ein.

Normal hätte man erwarten dürfen, dass dies vor dem Beginn des Schuljahres 2024/2025 geschieht.

Es kam allerdings immer wieder zu Verzögerungen, so dass die Änderungen zum Zeitpunkt der Durchführung der ersten Stufe (Kompasstest) noch nicht in Kraft traten und auch nach wie vor nicht in Kraft waren, als die Schulen mit Informationsgeprächen wegen der zu erwartenden Grundschulempfehlungen begannen.

Dies führt zu erheblicher Kritik, ob die verbindliche Grundschulempfehlung für das Schuljahr 2024/2025 schon gelten soll.

Ungeachtet dessen schien die Landesregierung die verbindliche Grundschulempfehlung für das Schuljahr 2024/2025 durchdrücken zu wollen, was unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbos durchaus juristisch in Frage gestellt werden kann.

Der SWR berichtet nun, dass das Gesetzespaket verabschiedet wurde. Im Übrigen herrscht Schweigen, was auch daran liegen mag, dass die Normen in den Gesetzesdatenbanken noch nicht veröffentlicht wurden und die Landesregierung sich hierfür naturgemäß nicht in den Medien feiern lassen will, so dass geschwiegen wird...

Zu den wesentlichen Aspekten der neuen Regelung.:

Grundschulempfehlung auf Basis der Klassenkonferenz oder Kompass 4:

Die Grundschulempfehlung muss dann auf einer der beiden nachfolgenden Möglichkeiten ausgesprochen werden, wenn man die gewünschte Schule besuchen will:

  • Entweder die Grundschulempfehlung ergeht auf Basis des Kompasstests
  • Oder die gewünschte Grundschulempfehlung erfolgt nach wie vor über die pädagogische Gesamtwürdigung der Klassenkonferenz.

Grundschulempfehlung aus Basis von "Kompass 4":

"Kompass 4" ist bereits durchlaufen worden und hat katastrophale Ergebnisse erbracht.

Die Anforderungen hieran wurden gemeinhin als zu hoch angesehen, eine hinreichende Vorbereitung gab es gleichsam nicht.

Über diese Schiene haben nur sehr wenige Kinder eine Gymnasialempfehlung erhalten.

Rechtlich problematisch ist zudem, dass Kompass 4 durchgeführt wurde, ohne dass es hierfür bereits eine Rechtsgrundlage gab.

Das Narrativ, auf das sich das Ministerium offenbar stützen möchte ist, dass es für die Durchführung einer zentralen Kompetenzmessung keiner gesonderten schulgesetzliche Grundlage bedürfte. Auch andere zentrale Kompetenzmessungen und Lernstanderhebungen, wie z.B. VERA 3 oder Lernstand 2, würden seit Jahren auf Grundlage der bisherigen Fassung des Schulgesetzes BW durchgeführt. Der winkeladvokatorische Trick besteht nunmehr darin, dass durch die spätere Änderung des Schulgesetzes sowie der Aufnahmeverordnung BW eine nachträgliche Verknüpfung der Ergebnisse von Kompass 4 mit der Grundschulempfehlung stattfinde, was formal erst am 07.02.2025 erfolge.

Politisch ist das natürlich ein Witz und ich habe davon gehört, dass auch Mitarbeiter von Ministerien anderer Bundesländer mit dem Kopf schütteln, was hier gerade konstruiert werden soll. Und auch rechtlich bleibe ich dabei, dass man eine unzulässige Rückwirkung durchaus diskutieren kann, wenn der Kompasstest auf unverbindlicher Rechtsgrundlage geschrieben wird (während man die Schüler bereits einschüchtert, dass dieser verbindliche Wirkung haben wird) und dann zu einem späteren Zeitpunkt diesen Test (eben rückwirkend) als verbindlich erklären will.

Zudem wurden offenbar staatlich nicht anerkannte Privatschulen "vergessen", so dass diesen eine Chance genommen wurde. Auch das halte ich für falsch: Auch wenn diese ohne staatliche Anerkennung keine öffentlich-rechtlichen Entscheidungen treffen können, so soll der Kompasstest ja zum einen das Leistungsvolumen aller erfassen (warum also nicht die Kinder von nicht anerkannten Privatschulen?) und es ist ja kein eigener Test der Privatschulen, sondern ein offizieller Test des Ministeriums, warum soll man dann nicht dieselben Chancen bekommen?

Ein weiterer faux-pas war, dass die Nachteilsausgleiche per se auf dasselbe Level für alle gekappt wurden, während es darum geht, den konkreten Nachtei auszugleichen, d.h. man hat Kindern mit Teilleistungsstörungen Rechte genommen!

Insgesamt wird ein Kompasstest auch künftig problematisch sein, denn Schulen bereiten ja individuell vor, so dass eine Klasse damit besser zurechtkommen mag, eine andere weniger, d.h. mit der individuellen Leistungsfähigkeit hat dies oftmals wenig zu tun.

Grundschulempfehlung auf Basis der individuellen Beurteilung der Klassenkonferenz:

Aus den Entwürfen zur Neuregelung in § 88 Schulgesetz und der Aufnahmeverordnung Baden-Württemberg wird deutlich, dass die Forumilierungennach wie vor schwammig bleiben, wenn von einer "pädagogischen Gesamtwürdigung" die Rede ist.

In diese pädagogische Gesamtwürdigung fließen 

  • die in Klasse 4 gezeigten schulischen Leistungen
  • und die Einschätzung der überfachlichen Kompetenzen

ein.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich bei der individuellen Entscheidung nicht viel verändern wird:

Hinsichtlich der "schulischen Leistungen"  bleiben nach wie vor die Noten in den Fächern Deutsch und Mathematik relevant, wobei für eine Gymnasialtauglichkeit grundsätzlich nach wie vor von einem Schnitt von 2,5 oder besser ausgegangen wird.

Die Formulierung "in der Regel" lässt freilich auch weiterhin Spielraum zu, falls die Leistungen etwas schlechter sind. Zu denken wäre innerhalb des Kriteriums der schulischen Leistungen an die Noten der anderen Fächer, außerhalb dieses Kriteriums and die überfachlichen Kompetenzen.

Hinsichtlich der "überfachlichen Kompetenzen" soll auf die differenzierten kontinuierlichen Beobachtungen des Kindes durch die Lehrkräfte abgestellt werden. Hier wird man vor allem an die bisherigen Kriterien des Lern- und Arbeitsverhaltens sowie der schulischen Entwicklung denken können, wie dies ja auch bisher der Fall ist. Es ist völlig unverständlich, warum die Norm diesbezüglich nicht genauer gefasst wurde.

Völlig unverständlich ist die Formulierung, dass bei den überfachlichen Kriterien auch solche des Kompasstests Eingang finden können, da dort ja gar keine überfachlichen Kriterien erfasst wurden, sondern nur die fachlichen Leistungen in Deutsch und Mathematik. Insofern bleibe ich auch dabei, dass der Kompasstest eine eigenständige Säule bildet, die für die Grundschulempfehlung nicht herangezogen werden kann und für das Kriterium überfachliche Kriterien wird man auf das vergangene Schulhalbjahr abstellen müssen (wofür ja auch die Formulierung der "differenzierten kontinuierlichen Beobachtungen des Kindes durch die Lehrkräfte" spricht) und nicht, wie das Kind sich überfachlich anlässlich eines einzigen Tests zeigt, zumal das nicht pädagogisch erfassbar oder repräsentativ erscheint.

Auch hier ist problematisch, dass aktuell Elterngespräche hinsichtlich der Grundschulempfehlung bereits stattfinden, ohne dass die neue Rechtslage überhaupt in Kraft getreten ist. D.h. viele Lehrkräfte wissen gar nicht, auf welcher Basis sie die Beurteilung genau vornehmen. Im Ergebnis wird dies zwar vermutlich keine Auswirkungen haben, da die wesentlichen Eckpunkte der pädagogischen Entscheidung der alten Rechtslage entsprechen werden, für eine landesweite Entscheidung ist dies freilich alles andere als seriös.

Grundschulempfehlung über den Potenzialtest:

Wollen die Eltern ihr Kind dann dennoch auf die gewünschte aber nicht empfohlene Schule schicken, soll dies vom Bestehen eines weiteren Tests abhängen.

Auch dies geht in die Richtung der alten Rechtslage mit einem zusätzlichen Aufnahmetest zurück, wobei dieser dieses Mal nicht aus dem Panzerschrank des Kultusministeriums zu kommen scheint, sondern vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) erstellt werden soll.

Es wird abzuwarten sein, wie schwierig der Potenzialtest wird. Bei der Aufnahmeprüfung nach alter Rechtsslage waren die Anforderungen immens hoch und nur ganz wenige Schüler schafften hierüber den Zugang zur gewünschten Schule. Dies steht auch aktuell zu befürchten, dass die Anforderungen sehr hoch sein werden und die hohen Durchfallquoten dann damit begründet werden, dass die Kinder ja keine Grundschulempfehlung für die Schulform erhielten, so dass nicht zu erwarten ist, dass über den Potenzialtest viele Kinder doch noch den Zugang zur Wunschschule erhalten...

Problematisch erscheint daran, dass Eltern ihr Kind dafür spätestens 4 Schultage nach der Grundschulempfehlung (mit dem Halbjahreszeugnis) anmelden sollen. Dies indiziert ganz deutlich, dass Rechtsbehelfe gegen die Grundschulempfehlung nicht erwünscht sind und man stattdessen die Kinder in den Potenzialtest zwingen will, wofür auch spricht, dass die Tests bereits im Februar, also nur wenig später stattfinden sollen. D.h. besteht man die Tests dann nicht, werden Schulämter sich potentiell auf den Standpunkt stellen, dass dies insgesamt indiziere, dass das Kind nicht für die gewünschte Schulform geeignet sei, so dass auch an der Grundschulempfehlung nichts zu rütteln sei...

Zusammenfassung - Rechtsmittel:

Das beste Rechtsmittel ist, wenn man dieses erst gar nicht erst einlegen muss und die Entscheidung stattdessen proaktiv zu seinen Gunsten beeinflusst.

Insofern ist die beste Variante, die Grundschulempfehlung bereits proaktiv zu beeinflussen, indem vorab versucht wird, die Note transparent zu machen, hierzu Einwendungen zu erheben und auch die weichen Kriterien wie Lern- und Arbeitsverhalten und schulische Entwicklung für sich zu beeinflussen. In diesem Stadium kann man immer noch gesichtswahrende Lösungen auch für die Schulen erzielen, da ja noch keine Entscheidung ergangen ist, die man korrigieren müsste. Ich kann Sie hierzu natürlich gerne beraten und auch direkt unterstützen.

Hierzu hat einen negativen Beigeschmack, dass die Beratungsgespräche mit den Eltern zusehends ohne abschließendes Ergebnis verblieben und auf die Klassenkonferenz  am 06.02.2025 und die spätere Mitteilung der Grundschulempfehlung am 07.02.2025 verwiesen wird. Dies steht im deutlichen Widerspruch zu den Verhaltensweisen in den letzten Jahren, als bei den Beratungsgesprächen üblicherweise bereits mitgeteilt wurde, wohin die Reise geht und oftmals wurde dies auch für dieses Schuljahr zunächst so angekündigt. Dieses Verhalten indiziert, dass die Schulen (und möglicherweise auch die Schulämter) die Taktik verfolgen, proaktive Einwände möglichst zu verhindern. 

Ist die Grundschulempfehlung erst einmal ergangen,  ist natürlich noch nichts verloren und man kann Rechtsbehelfsverfahren gegen die Grundschulempfehlung einleiten, die üblicherweise von den Schulämtern bearbeitet werden.

Hierbei ist zu beachten, dass die Schulämter voraussichtlich wenig Lust auf solche Überprüfungen haben werden, so dass kein fächendeckendes Wohlwollen der Schulämter zu erwarten ist, Entscheidungen der Grundschulen aufzuheben.

D.h. wird eine einmal getroffene Entscheidung angegriffen, muss man ähnlich wie bei einem Nichtversetzungsfall  gut argumentieren, wenn man gehört werden möchte. Wer sich einfach nur beschwert und nicht von den zahlreichen weiteren Beschwerden abhebt, wird rasch aus der Drehtür wieder nach draußen geschoben...

Natürlich kann ich Sie als erfahrener Anwalt für Schulrecht hierbei gerne beratend unterstützen bzw. selbstverständlich auch den ganzen Fall übernehmen. Da ich bereits seit 2007 als Anwalt für Schulrecht arbeite, habe ich aus den Zeiten der verbindlichen Grundschulempfehlung bis 2011 bereits umfangreiche Erfahrungen mit solchen Beschwerdefällen gegen die Grundschulempfehlung beim Schulamt.



Andreas Zoller

Anwalt für Schulrecht