Um die Frage, ob Sparer die nachträgliche Kürzung der Rentenfaktoren in Riester-Sparverträgen akzeptieren müssen, geht es in einem Rechtsstreit mit der Allianz. Diese Frage verneinte das Oberlandesgericht Stuttgart am 30.01.2025 (Az.: 2 U 143/23) und erklärte die entsprechende Vertragsklausel für unwirksam. Auf diese sog. Anpassungsklausel hatte sich die Allianz berufen, um den Rentenfaktor bei einer fondsgebundenen Riester-Rente zu senken. Nun soll sich der Bundesgerichtshof mit der Sache befassen.

Allianz kürzt nachträglich den Rentenfaktor bei Riester-Rente

Der klagende Sparer hatte 2006 bei der Allianz eine Riester-Rente mit einem Rechnungszins von 2,75 Prozent abgeschlossen. Später machte der Versicherer von der strittigen Anpassungsklausel Gebrauch und reduzierte den Rentenfaktor auf einen Rechnungszins von 1,25 Prozent. Damit sollte der Kunde anstatt der im Versicherungsschein vereinbarten 38,74 Euro Monatsrente je 10.000 Euro erspartem Kapital nur noch 30,84 Euro erhalten.

Das wollte der Sparer nicht hinnehmen und reichte mit Unterstützung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Klage vor dem Landgericht Stuttgart ein (Az.: 53 O 214/22). Im Zentrum der Verhandlung stand die Frage, ob es gegen das Äquivalenzprinzip verstoße, wenn der Versicherer mit einer solchen Klausel einseitig den Rentenfaktor kürzen könne. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass hier kein Verstoß vorliege, und wiesen die Klage ab.

Das LG Stuttgart verwies in seiner Entscheidung auf den Vertrag, laut dem der Versicherungsnehmer die Möglichkeit gehabt habe, einmal jährlich eine Zuzahlung zu leisten und so die Einbußen bei der Rente auszugleichen, die durch die Kürzung des Rentenfaktors entstanden waren. Durch diese Option würde das Äquivalenzprinzip gewahrt, da der Sparer entstehende Einbußen bei der Rente ausgleichen könne – auch wenn das die Zahlung zusätzlicher Beträge an die Allianz erfordere.

OLG Stuttgart: Anpassungsklausel ist unwirksam

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und ging in Berufung. Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart schloss sich der Auffassung der Kläger an und untersagte der Allianz die Verwendung dieser Klausel sowie inhaltsgleicher Klauseln. Mit der Klausel würden allein die Interessen des Versicherers vertreten, die Rentenhöhe abzusenken, so die Richter. Eine solche Absenkung zumindest teilweise wieder rückgängig zu machen, wenn sich die Verhältnisse wieder nachhaltig verbesserten, sei hingegen nicht vorgesehen. Damit liege das Recht zur Vertragsanpassung einseitig beim Versicherer.

An der Unangemessenheit der Klausel ändere auch die Tatsache nichts, dass die Allianz in späteren Anschreiben eine Erhöhung des Rentenfaktors in Aussicht stellte, falls sich bei Rentenbeginn die maßgebenden Rechnungsgrundlagen verbessern sollten. Eine solche Verpflichtung müsse sich aber aus den verwendeten Versicherungsbedingungen ergeben, so die Richter.

Allianz legt Revision vor BGH ein

Die Allianz hat nun angekündigt, in Revision zu gehen und eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof zu suchen. Den Medien gegenüber argumentierte der Versicherer, dass die Absenkung des Rentenfaktors nicht in Garantiezusagen eingreifen würde. Zwar habe der Rentenfaktor Einfluss auf einen Teil der Rentenleistung, aber die Überschussbeteiligung würde von dieser Anpassung nicht beeinflusst. Und bei der Rentenzahlung sei schließlich die Gesamtrente zu betrachten, in die sowohl die garantierte Rente als ein zusätzlicher Betrag aus der Überschussbeteiligung einfließe.

Zuletzt hatte die Allianz gute Erfahrungen vor dem BGH gemacht. Im September 2024 hatte das oberste deutsche Gericht zugunsten des Versicherers entschieden und dessen Überschussbeteiligungssystem bei der Privatrente Perspektive als rechtmäßig eingestuft (Az.: IV ZR 436/22). Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte gegen die Allianz geklagt, weil der Versicherer ältere Versicherungsverträge bei der Überschussbeteiligung benachteiligt hatte. Doch dieses Verfahren ist nach Auffassung des BGH rechtens. Beanstandet hatte das oberste deutsche Gericht lediglich eine Klausel zur Kalkulation des Rückkaufswerts bei Verträgen mit laufender Beitragszahlung, was nun eine Prüfung durch die BaFin nach sich zieht. Wir berichteten über den Fall. Den Beitrag dazu finden Sie hier.

Mehrere Gerichte halten Kürzung des Rentenfaktors für unzulässig

Wie gut die Chancen der Allianz vor dem BGH im Zusammenhang mit der Kürzung des Rentenfaktors bei Riester-Renten stehen, ist jedoch fraglich. Denn eine solche Kürzung wurde bereits von mehreren Gerichten einstimmig für unzulässig erklärt. Neben dem OLG Stuttgart hatten beispielsweise auch das Amtsgericht Reinbek und das Landgericht Köln die entsprechenden Anpassungsklauseln für unwirksam erklärt. Näheres dazu können Sie in diesem Beitrag auf unserer Website nachlesen.

Auch wenn die finale Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch aussteht, empfehlen wir betroffenen Riester-Sparern, jetzt schon rechtlich gegen die Kürzungen vorzugehen, da die Ansprüche ansonsten zu verjähren drohen. Betroffene, die zu lange warten, riskieren hohe Verluste, weil sie ihre Ansprüche gegenüber den Versicherungen möglicherweise nicht mehr geltend machen können. Wenn auch Sie von den Kürzungen des Rentenfaktors betroffen sind, beraten wir Sie in der Anwaltskanzlei Lenné gerne und prüfen mögliche Verjährungsfristen. Vereinbaren Sie einfach einen Termin für ein kostenloses Erstgespräch.