von Rechtsanwalt u. FA für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Marc Laukemann*



Stellen Sie sich vor, Sie sind ein erfolgreicher Unternehmer. Sie haben ein Team von qualifizierten Mitarbeitern aufgebaut, die auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt sind. Doch dann passiert es: Ein Konkurrent oder ein Personaldienstleister wirbt Ihre Mitarbeiter ab. Ihre Investitionen in die Einstellung und Ausbildung Ihrer Mitarbeiter scheinen verloren zu sein. Ist das fair? Und wichtiger noch, ist das legal?


Das Spiel der freien Marktwirtschaft

Die freie Entscheidung eines Arbeitnehmers hinsichtlich seines Berufs und Arbeitsplatzes ist ein Grundrecht und wird allein von der Wettbewerbslage beeinflusst. Ein Arbeitnehmer kann seinen Arbeitsplatz nach Belieben wählen und wechseln, solange er die Kündigungsfrist einhält. Wenn sich ein Arbeitnehmer also gegen seinen aktuellen Arbeitgeber und für die Konkurrenz entscheidet, ist dagegen rechtlich betrachtet erst einmal nichts einzuwenden.


Aber wo ist die Grenze?

Die Dinge werden komplizierter, wenn ein Dritter, sei es ein Konkurrent oder ein Dienstleistungsunternehmen, auf den Arbeitnehmer einwirkt, um diesen zum Arbeitgeberwechsel zu veranlassen. Dies kann unter bestimmten Bedingungen rechtswidrig sein und zu Schadenersatzansprüchen führen. Es geht um die Frage, ob “verwerfliche Zwecke” verfolgt, “verwerfliche Methoden” angewandt werden oder die Art der Kontaktaufnahme unlauter erfolgt.


Was bedeutet das für Sie als Unternehmer?

Als Unternehmer müssen Sie sich bewusst sein, dass es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen.


Grundsätzlich erlaubtDas Abwerben von Mitarbeitern ist grundsätzlich erlaubt. Es ist zulässig, höhere Gehälter oder bessere Arbeitsbedingungen anzubieten und gezielt Mitarbeiter mit besonderen Kenntnissen oder Qualifikationen anzusprechen.


Wettbewerbswidriges VerhaltenDas Abwerben von Mitarbeitern kann wettbewerbswidrig sein, wenn unlautere Mittel eingesetzt werden oder unlautere Ziele verfolgt werden. Beispielsweise sind Handlungen, die darauf abzielen, das konkurrierende Unternehmen wirtschaftlich zu schwächen, oder die den Arbeitnehmer aktiv zum Vertragsbruch verleiten, untersagt.


  • Abwerben ist verboten, wenn dies ausschließlich in der Absicht geschieht, einen Mitbewerber zu schädigen (§ 4 Nr. 4 UWG).
  • Wer absichtlich andere zum Vertragsbruch verleitet, handelt wettbewerbswidrig (BGH v. 11.01.2007 - I ZR 96/04, NJW 2007, 2999). Entscheidend ist, dass darauf hinwirkt wird, dass ein anderer einen bewussten Vertragsverstoß begeht. Nicht erfasst, ist hingegen das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, selbst wenn der Arbeitgeber den Vertragsbruch kennt oder kennen musste.

Einsatz von HeadhunternArbeitgeber dürfen Headhunter zu Recruitingzwecken einsetzen. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn der Headhunter den Mitarbeiter am Arbeitsplatz kontaktiert, da dies schnell als wettbewerbswidriges Verhalten eingestuft werden kann.

  • Wer Arbeitnehmer am Arbeitsplatz eines Wettbewerbers anruft, um diese abzuwerben, muss sich sehr kurz fassen. Erlaubt ist eine erste Kontaktaufnahme, bei der ein fremder Mitarbeiter nur nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt wird und diese neue Stelle deshalb kurz beschrieben sowie eine Kontaktmöglichkeit mitgeteilt wird (BGH Urt. v. 04.03.2004 - I ZR 221/01, NJW 2004, 2080). Verboten ist es hingegen, dem Arbeitnehmer Daten zu dessen Lebenslauf und bisherigen Tätigkeiten vorzuhalten (BGH NJW 2007, 2999). Bei Zeitungsinseraten, Postwurfsendungen oder Terminverabredungen liegt hingegen keine wettbewerbswidrige Handlung vor (vgl. hierzu Benecke/Pils NZA-RR 2005, 561 mwN).

Abwerben durch KollegenSolange das Arbeitsverhältnis besteht, ist es einem Mitarbeiter grundsätzlich untersagt, Kollegen abzuwerben.


  • Achtung: Diese Pflicht gilt nicht nur bei angestellten Mitarbeitern sondern auch bei Handelsvertretern. Das OLG Oldenburg sah es als unzulässige Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG an, wenn ein Unternehmer einen Handelsvertreter eines Wettbewerbers veranlasst, dessen Kunden unter Verletzung des Handelsvertretervertrages im Rahmen ihrer Tätigkeit die eigene Konkurrenzware anzubieten (OLG Oldenburg, Urteil vom 15.02.2007 - 1 U 97/06).

Wettbewerbsverbot: Einige Arbeitgeber vereinbaren mit ihren Arbeitnehmern im Arbeitsvertrag ein Wettbewerbsverbot, das dem Mitarbeiter untersagt, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für direkte Konkurrenz des Unternehmens tätig zu werden.


Kann ich mich gegen das Abwerben von Mitarbeitern durch Wettbewerber wehren?

In der heutigen wettbewerbsorientierten Geschäftswelt ist das Abwerben von Mitarbeitern eine gängige Praxis. Aber was können Sie als Unternehmer tun, um sich davor zu schützen? Hier sind einige Strategien:


(1) **Schaffen Sie ein attraktives Arbeitsumfeld**: 

Der beste Schutz gegen das Abwerben von Mitarbeitern ist ein gutes Arbeitsklima, flexible Arbeitszeiten und eine angemessene Bezahlung¹. Mitarbeiter, die zufrieden und engagiert sind, sind wahrscheinlich weniger bereit, das Unternehmen zu verlassen.

(2) **Nutzen Sie Anreize**: 

Boni, deren Auszahlung an das Fortbestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses gekoppelt ist, können ebenfalls hilfreich sein.

(3) **Vereinbaren Sie Wettbewerbsverbote**

In wichtigen Fällen können vertragliche Wettbewerbsverbote (§§ 74 ff., 90a HGB) vereinbart werden. Diese verbieten dem Mitarbeiter, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem konkurrierenden Unternehmen tätig zu werden.

Achtung: Die Gerichte unterziehen solche Klauseln einer strengen Prüfung. Erfahrungsgemäß sind mindestens 50% der verwendeten Regelungen auch dann rechtlich angreifbar, wenn eine Entschädigungszahlung vereinbart wurde. Eine Empfehlung lautet, im Zweifelsfall nur einen nachvertraglichen Kundenschutz und nur für wirklich wichtige Kunden zu vereinbaren.

(4) **Beteiligen Sie Schlüsselmitarbeiter am Unternehmen**: 

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Schlüsselmitarbeiter gesellschaftsrechtlich am Unternehmen zu beteiligen. Dies kann die Loyalität des Mitarbeiters zum Unternehmen stärken und ihn davon abhalten, zu einem Konkurrenten zu wechseln.

(5) **Vereinbaren Sie Abwerbeverbote mit wichtigen Dienstleistern und Vertragspartnern**: 

Solche Vereinbarungen können im Einzelfall zulässig sein, sollten aber unbedingt von einem spezialisierten Anwalt formuliert werden.


Was tun, wenn die Abwerbung schon erfolgt ist?

Wenn die Abwerbung bereits erfolgt ist, ist es oft zu spät, um noch effektiv reagieren zu können. In solchen Fällen kann der Tatbestand der irreführenden Werbung gem. § 5 UWG erfüllt sein, wenn der Abwerbende irreführende Angaben bei der Abwerbung gemacht hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn unwahre Angaben über den bisherigen oder den neuen Arbeitgeber gemacht wurden, die die Entscheidung des Beschäftigten beeinflussen könnten. Auch das Unterlassen von Informationen, insbesondere über die möglichen Folgen eines Vertragsbruchs, kann unlauter sein (§ 5a I UWG).

In solchen Fällen kann es ratsam sein, rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Ein erfahrener Anwalt kann Sie dabei unterstützen, Ihre Rechte geltend zu machen und mögliche Schadensersatzansprüche durchzusetzen.


Fazit

Die Abwerbung von Mitarbeitern ist ein komplexes Thema, das sowohl rechtliche als auch ethische Fragen aufwirft. Auch wenn die Abwerbung grundsätzlich erlaubt ist, werden in diesem Zusammenhang häufig aus Unkenntnis Fehler begangen, die rechtlich geahndet werden können. Als Unternehmer ist es wichtig, sich dieser Fragen bewusst zu sein und verantwortungsbewusst zu handeln. Denn letztendlich ist es das faire Spiel, das den freien Markt so dynamisch und spannend macht.



#Über Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann

In der dynamischen Welt des Wettbewerbs- und Werberechts, insbesondere bei digitalen Geschäfts- und Vertriebsmodellen, ist spezialisierte Beratung unerlässlich. Dr. Marc Laukemann, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz sowie Handels- und Gesellschaftsrecht, bringt umfassende Erfahrung in der Betreuung von Unternehmen in diesen Bereichen mit. Als zertifizierter Wirtschaftsmediator und systemischer Business Coach (IHK) versteht er es, rechtliche Expertise mit praxisnahen Lösungen zu verbinden. 


#Über LFR Wirtschaftsanwälte

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