Polizeigewalt bei Hausdurchsuchungen – Was ist erlaubt?

Bei Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen stellt sich oft die Frage: Wie weit darf die Polizei gehen? Darf sie Zwang anwenden, um eine Mitwirkung zu erzwingen? Eine aktuelle Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen sorgt für Diskussionen.

Welche Maßnahmen sind rechtlich zulässig und wo liegen die Grenzen der Gewaltanwendung durch die Polizei?

Dies und mehr erfahren Sie hier in diesem Rechtstipp und in meinem Video.


1. Wann darf die Polizei Gewalt anwenden?

Die Polizei darf in bestimmten Situationen unmittelbaren Zwang einsetzen, wenn dies rechtlich vorgesehen ist. Dazu gehören:

  • Zwangsweise Blutentnahme (§ 81a StPO) bei Verdacht auf Alkohol- oder Drogeneinfluss im Straßenverkehr.
  • Durchsetzung richterlich angeordneter Hausdurchsuchungen (§ 105 StPO).
  • Erkennungsdienstliche Maßnahmen (§ 81b StPO), wie die Abnahme von Fingerabdrücken.

Grundsätzlich gilt aber: Niemand muss aktiv an seiner eigenen Überführung mitwirken.


2. Der Fall: Entsperrung eines Handys per Fingerabdruck

In einem aktuellen Fall wurde eine Wohnung durchsucht, da der Verdacht auf Besitz und Verbreitung kinderpornographischer Inhalte bestand. Die Polizei fragte den Beschuldigten nach seinem Mobiltelefon, was dieser leugnete. Als es klingelte, wurde das Gerät gefunden – jedoch gesperrt.

Der Beschuldigte verweigerte die Entsperrung. Daraufhin brachten ihn die Beamten mit Gewalt zu Boden, fixierten ihn und nutzten seinen Fingerabdruck zur Entsperrung des Handys. Dagegen wehrte sich der Beschuldigte durch mehrere Instanzen.


3. Urteil des Oberlandesgerichts Bremen

Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen entschied, dass diese Maßnahme rechtlich zulässig war (Beschluss vom 8. Januar 2025, 1 ORs 25/24). Die Begründung:

  • Fingerabdrücke dürfen laut § 81b StPO zwangsweise genommen werden.
  • Die Polizei hätte alternativ einen Abdruck nehmen und eine Attrappe anfertigen können.
  • Da diese indirekte Methode zulässig wäre, sei auch die direkte Anwendung am Tatort erlaubt.
  • Der Widerstand des Beschuldigten wurde daher als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) gewertet.


4. Kritik und rechtliche Bedenken

Diese Entscheidung sorgt für Diskussionen, da sie möglicherweise einen Präzedenzfall für weitergehende Zwangsmaßnahmen schafft. Kritiker sehen darin eine übermäßige Ausweitung polizeilicher Befugnisse.

  • Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit: Niemand muss aktiv zur eigenen Überführung beitragen.
  • Unverhältnismäßigkeit der Gewaltanwendung: Fixierung und Zwangsmaßnahme wurden als unverhältnismäßig empfunden.
  • Mögliche Folgen für zukünftige Fälle: Eröffnung weiterer Gewaltanwendungen durch die Polizei?


5. Fazit – Was bedeutet das für Betroffene?

Das Urteil zeigt, dass die Polizei weitreichende Befugnisse hat, insbesondere im Rahmen von Hausdurchsuchungen. Wer sich gegen polizeiliche Maßnahmen wehren möchte, sollte dies auf dem Rechtsweg tun und nicht durch körperlichen Widerstand – denn dieser kann strafrechtliche Konsequenzen haben.

Sollte diese Entscheidung weiter vor das Bundesverfassungsgericht gehen, könnte sie noch einmal überprüft werden.


Haben Sie Fragen?

Wenn Sie weitere Fragen zu Hausdurchsuchungen oder polizeilichen Befugnissen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Weitere Informationen finden Sie in unserem Video und unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht