OLG Stuttgart: Wer mit Luft-UVPs wirbt, steht mit einem Bein im Gerichtssaal. Und mit dem anderen bald beim Insolvenzverwalter.


Von Dr. Marc Laukemann*



1. Der Aufhänger: Schnäppchen lügen nicht? Von wegen!

Das OLG Stuttgart hat gesprochen: Wenn ein Händler mit einer unverbindlichen Preisempfehlung („UVP“) wirbt, die so echt ist wie ein 10-Euro-Rolex aus Bangkok, dann ist Schluss mit lustig.

Zitat aus dem Urteil vom 06.03.2025 (2 U 142/23): „Das dauerhafte und erhebliche Unterbieten der vermeintlichen Preisempfehlung entwertet diese derart, dass eine marktgerechte Orientierungshilfe darin nicht mehr gesehen werden kann.“

Was heißt das übersetzt?
 Wer UVPs erfindet, trickst oder manipuliert, handelt wettbewerbswidrig. Und zwar mit Ansage.


2. Worum geht’s konkret? UVP-Werbung – das Minenfeld für Marketingabteilungen

UVPs – also "unverbindliche Preisempfehlungen" – sind eigentlich eine gute Idee. Der Hersteller gibt eine Empfehlung ab, der Händler macht’s günstiger. Der Kunde freut sich über den Deal.

Aber: Die Empfehlung muss echt, aktuell und ernst gemeint sein. Wenn:

  • die UVP nie ernsthaft kalkuliert wurde,
  • der Hersteller selbst nie diesen Preis verlangt hat oder
  • Händler dauerhaft weit drunter liegen,

dann ist das keine Preisinfo mehr. Sondern Verbrauchertäuschung.


3. Was ist erlaubt – und was verboten? Die große Preiswerbungstabelle

Werbeform

Erlaubt?

Voraussetzung

Risiko

Echte UVP-Werbung

Ja

UVP stammt vom Hersteller, aktuell und realistisch

Gering – bei Nachweisbarkeit

Fiktive UVP („Mondpreise“)

Nein

Kein echter Marktpreis, Herstellerpreis war nie so hoch

Hoch – klare Irreführung (§ 5 UWG)

Durchgestrichener Altpreis

Ja

Altpreis wurde tatsächlich vorher verlangt (mind. 30 Tage)

Mittel – Nachweispflicht bei Abmahnung

Rabatt „bis zu 70 %“

Ja, aber

Mind. 10 % der Produkte müssen wirklich 70 % günstiger sein

Hoch – wenn irreführende Ankerpreise genutzt

"Statt"-Preise ohne Quelle

Nein

Keine Angabe, worauf sich „statt“ bezieht

Hoch – Transparenzmangel

Vergleich mit Konkurrenz

Ja, aber

Nur bei objektiv richtigen, aktuellen Angaben

Mittel – Gefahr der Herabsetzung


4. Angriff ist die beste Verteidigung: Wie man gegen Irreführung vorgeht

Wenn der Wettbewerber mal wieder mit Superrabatt auf Fantasiepreise wirbt – hier kommt die juristische Keule.

Checkliste für Ihre nächste Abmahnung:

  1. Screenshot sichern. Immer mit Datum, Quelle und URL.
  2. Preisvergleich dokumentieren. Zeigen, dass der beworbene Preis nie existierte.
  3. Impressum prüfen. Wer ist für den Verstoß verantwortlich?
  4. Wettbewerbsverhältnis nachweisen. Sie müssen im selben Markt tätig sein.
  5. Abmahnung raus – mit strafbewehrter Unterlassungserklärung.
  6. Falls nötig: Einstweilige Verfügung beim Landgericht.

Rechtsgrundlage:

  • § 5 UWG: Irreführung über den Preis
  • § 5a UWG: Irreführung durch Unterlassen (z. B. keine Quelle bei „statt“-Preisen)
  • § 3a UWG i. V. m. § 1 PAngV: Verstoß gegen Marktverhaltensregel


5. Aus dem Urteil lernen – und besser werben

Die Besonderheit im Fall OLG Stuttgart: Die Herstellerin war „verstrickt“, weil die Geschäftsführer beider Firmen identisch waren und ein Markenlizenzvertrag bestand. Das heißt:

Verflechtung = Verantwortung. Wenn Hersteller und Händler sich in Personalunion überschneiden, gelten für beide die gleichen Pflichten.

Fazit des Gerichts:

„Die UVP hatte nur noch die Funktion, dem Händler eine attraktive Preiswerbung zu ermöglichen.“

Also: Werbung ja – aber nicht auf Kosten der Wahrheit.


6. Die fünf goldenen Regeln für rechtssichere Preiswerbung

  1. Niemals UVPs erfinden. Die UVP muss belegt und vom Hersteller stammen.
  2. Keine Preis-Phantasien. Altpreise nur dann, wenn sie wirklich verlangt wurden.
  3. Rabatte realistisch darstellen. „Bis zu 70 %“ ist kein Freifahrtschein für Einzelfälle.
  4. Vergleiche sauber belegen. Wer andere unterbieten will, muss korrekt vergleichen.
  5. Klare Kennzeichnung. Statt-Preis? UVP? Konkurrenzpreis? Mach’s klar und belegbar.


7. Was droht bei Verstößen?

  • Abmahnkosten: je nach Anwalt und Gegenstandswert (5.000–25.000 €)
  • Unterlassungserklärung: mit Vertragsstrafe
  • Einstweilige Verfügung: innerhalb von Tagen vor dem LG
  • Rufschaden: Abmahnung öffentlich? Es wird teuer – auch beim Image.


8. Unser Fazit: Wer mit Preisen spielt, spielt mit dem Feuer

Preiswerbung ist ein heißes Eisen. Wer sauber arbeitet, kann gewinnen. Wer trickst, verliert – vor Gericht und beim Kunden.

Das OLG Stuttgart hat eine klare Botschaft gesendet:
„Preiswerbung ist keine Fiktion – sondern eine Frage der Fairness.“

Und für Wettbewerber heißt das:
Wer lügt, fliegt.

Handlungsempfehlung für Unternehmen:

  • Machen Sie einen Preiswerbungs-Check Ihrer Website – mindestens alle 6 Monate.
  • Dokumentieren Sie alle UVPs, Rabattaktionen und Preisvergleiche intern.
  • Lassen Sie Ihre Werbung vor Veröffentlichung rechtlich prüfen – gerade bei Aktionskampagnen.

Handlungsempfehlung für Wettbewerber:

  • Überwachen Sie systematisch die Werbung Ihrer Mitbewerber.
  • Nutzen Sie Tools zur Preisverfolgung und Beweisarchivierung (z. B. WebCrawling + Screenshots).
  • Setzen Sie Abmahnungen gezielt ein – und zeigen Sie, dass Recht auch scharf sein kann.

Bonus: Eine Übersicht über die wichtigsten zulässigen und unzulässige Preiswerbung finden Sie in anliegendem Pdf.



#Über Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann

In der dynamischen Welt des Wettbewerbs- und Werberechts, insbesondere bei digitalen Geschäfts- und Vertriebsmodellen, ist spezialisierte Beratung unerlässlich. Dr. Marc Laukemann, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz sowie Handels- und Gesellschaftsrecht, bringt umfassende Erfahrung in der Betreuung von Unternehmen in diesen Bereichen mit. Als zertifizierter Wirtschaftsmediator und systemischer Business Coach (IHK) versteht er es, rechtliche Expertise mit praxisnahen Lösungen zu verbinden.


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