Die Senkung der Mindeststrafe des § 184b StGB auf Freiheitsstrafe von unter einem Jahr steht bevor und ändert die gesamte Strafrechtspraxis. Im Jahr 2021 wurde der Straftatbestand des § 184b Strafgesetzbuch verschärft, mit der Zielsetzung stärker gegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vorzugehen. Ab dem 01.07.2021 trat die Gesetzesänderung in Kraft und die Mindeststrafe wurde auf ein Jahr Freiheitsstrafe angehoben. Dadurch wurde der Straftatbestand des § 184b StGB von einem Vergehen zu einem Verbrechen hochgestuft.


Unterschied Verbrechen und Vergehen

Von einem Verbrechen ist die Rede, wenn die im Gesetz angedrohte Mindeststrafe ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt (§ 12 Abs. 1 StGB). Liegt die Mindeststrafe bei unter einem Jahr Freiheitsstrafe handelt es sich um ein Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB). Die Abgrenzung ist entscheidend für die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft ein Verfahren einzustellen. Ein Verfahren nach § 184b StGB darf nach aktueller Gesetzeslage als Verbrechen nicht nach §§ 153, 153a der Strafprozessordnung eingestellt werden.


Welche Probleme sind durch die Gesetzesverschärfung entstanden?

Durch die fehlende Möglichkeit einer Einstellung nach §§ 153, 153a StPO und einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe ist es der Staatsanwaltschaft und den Richtern nicht möglich, in weniger gewichtigen Fällen tat- und schuldangemessen auf den Einzelfall zu reagieren.

Durch die Verschärfung des Strafrahmens musste in einigen Fällen gegen Eltern oder Lehrer ermittelt werden, die kinderpornographische Fotos oder Videos auf den Handys ihrer Kinder fanden und diese an andere Eltern oder Lehrer der Schulklasse schickten, um über diese Missstände aufzuklären. Trotz der fehlenden Kenntnis Unrecht zu begehen, musste die Staatsanwaltschaft gegen diese Personen ermitteln. Dadurch wurden Personen, die den Besitz und die Herkunft kinderpornographischer Inhalte aufklären wollten, selbst wegen des Besitzes kinderpornographischer Inhalte ins Visier genommen. Bei Lehrern und anderen Beamten kommt zudem der Umstand hinzu, dass diese im Falle einer Verurteilung wegen eines Verbrechens immer ihren Beamtenstatus verlieren. Auch Jugendlichen drohen empfindliche Strafen, wenn diese leichtsinnig untereinander Nacktbilder austauschen und nach aktueller Rechtslage eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe erwarten müssen.


Der Ablauf eines Verfahrens nach § 184b StGB

Sollte ein Anfangsverdacht wegen Verbreitung, Erwerb oder Besitz kinderpornographischer Inhalte bestehen wird die Staatsanwaltschaft im Regelfall einen Hausdurchsuchungsbeschluss bei dem zuständigen Richter beantragen. Für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses müssen tatsächliche Anhaltspunkte der Begehung einer Straftat vorliegen. Erlässt der zuständige Richter den Durchsuchungsbeschluss ist die Polizei befugt, ihre privat und ggf. beruflich genutzten Räumlichkeiten zu durchsuchen. Aus dem zu Beginn der Maßnahme ausgehändigten Durchsuchungsbeschluss lässt sich entnehmen, auf welche Räumlichkeiten und Gegenstände die Durchsuchung beschränkt ist. Im Falle einer Hausdurchsuchung wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Inhalte suchen die Beamten nach allen Datenträgern, welche digitale Inhalte speichern können und stellen diese sicher. Darunter fallen unter anderem auch das aktuell genutzte Handy und Spielekonsolen mit integrierten Festplatten. Die Datenträger werden verwahrt und zur Auswertung an die zuständigen Stellen übergeben. Diese werden dann auf kinder- oder jugendpornographische Inhalte überprüft. Bei der Auswertung kommt es darauf an, ob auf den Datenträgern strafbare Bilder oder Videos gefunden werden. 

Die Auswertung kann sich durch die momentane Arbeitsbelastung der zuständigen Stellen herauszögern und einige Monate in Anspruch nehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es keine Möglichkeit, auf die Geräte zuzugreifen. Soweit keine strafbaren Inhalte gefunden werden, bekommt der Beschuldigte seine Datenträger zurück. Sollten sich strafbare Dateien auf den Geräten befinden, werden diese in den meisten Fällen einbehalten. Durch eine kompetente Rechtsberatung kann man im Einzelfall jedoch die Chancen erhöhen, diese Datenträger wiederzuerlangen.


Welche Auswirkungen hat die Gesetzesänderung für die Strafrechtspraxis?Die Mindeststrafe für das Verbreiten und Herstellen kinderpornographischer Inhalte (§ 184b Abs. 1 StGB) wird auf 6 Monate und der Besitz dieser (§ 184b Abs. 3 StGB) auf 3 Monate reduziert. Es handelt sich bei § 184b StGB dann wieder um ein Vergehen nach § 12 Abs. 2 StGB. Dadurch können weniger gewichtige Fälle durch die Staatsanwaltschaft nach §§ 153, 153a der Strafprozessordnung eingestellt werden. Folglich kommt es dann für den Mandanten nicht zu einer belastenden Hauptverhandlung bei Gericht.

Staatsanwaltschaft und Richter können durch die Mindeststrafe des § 184b StGB von unter einem Jahr Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen auf den Einzelfall reagieren. Die Höchststrafen von 10 bzw. 5 Jahren Freiheitsstrafe bleiben dabei unberührt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch künftig schwere Taten angemessen sanktioniert werden.

Eine Einstellung bei leichter gelagerten Fällen ist auch im Sinne der Strafverfolgungsbehörden. Diese können so ihre Ressourcen für die schwerwiegenden Fälle nutzen und effektiver gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und den Besitz und die Verbreitung von Kinderpornographie vorgehen.


Was bedeutet die anstehende Gesetzesänderung für Mandanten?

Zunächst besteht für den Mandanten die oben erläuterte Möglichkeit, dass sein Verfahren eingestellt wird und es nicht zu einer Verhandlung vor Gericht kommt.


Auswirkung auf laufende Verfahren

Die Änderung der Mindeststrafe kann Auswirkungen auf laufende Verfahren haben. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip in § 2 Abs. 3 Strafgesetzbuch wird bei einer Gesetzesänderung zwischen der Begehung der Tat und der Verkündung des Urteils das für den Angeklagten mildere Gesetz angewendet. Nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung wird dann bei der Strafzumessung die herabgestufte Mindeststrafe des § 184b StGB Anwendung finden. Sollte bei Ihnen eine Urteilsverkündung in absehbarer Zeit und noch vor der Gesetzesänderung anstehen, kann durch eine kompetente Beratung auf eine Aussetzung des Verfahrens hingewirkt werden. Im Falle einer Aussetzung wird das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt weitergeführt. Durch eine Fortsetzung der Verhandlung nach der anstehenden Gesetzesänderung kann dann die verringerte Mindeststrafe des § 184b StGB angewendet werden.


Gesetzesänderung nach Urteilsverkündung

Die Absenkung der Mindeststrafe des § 184b StGB kann nach Verkündung eines Urteils leider nicht mehr berücksichtigt werden.Es wird immer das Gesetz angewendet, welches zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung Geltung entfaltet hat. Somit wird in dem ergangenen Urteil immer die höhere Mindeststrafe des § 184b StGB Berücksichtigung finden. Um nicht in eine solche Situation zu geraten ist es wichtig, kompetent beraten zu werden. Denn auch bei der nachträglichen Aufhebung des Urteils und Neubescheidung des Falles durch ein Gericht darf die anstehende Gesetzesänderung nicht berücksichtigt werden.


Wann kommt die Gesetzesänderung?

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde am Donnerstag, den 16.05.2024 durch den Bundestag angenommen. Der Gesetzesentwurf wird demnächst ausgefertigt und durch den Bundespräsidenten unterzeichnet und verkündet. Dieser Vorgang ist im Regelfall nicht besonders zeitintensiv und es kann damit gerechnet werden, dass die Gesetzesänderung in wenigen Wochen in Kraft tritt.


Spezialisierte Kanzlei für Sexualstrafverfahren

Sollte gegen Sie der Vorwurf des Besitzes oder der Verbreitung von kinderpornographischen Inhalten erhoben worden sein ist es wichtig einen kompetenten Ansprechpartner an seiner Seite zu haben. Als eine der mittlerweile bundesweit größten Kanzleien für Sexualstrafrecht ist es uns ein großes Anliegen, Ihnen in einem solchen Fall beratend zur Seite zu stehen. Im Falle eines anstehenden Sexualstrafverfahrens stehe ich Ihnen gerne für ein kostenfreies Erstberatungsgespräch zur Verfügung. Dort kann ich mich ganz individuell ihren Bedürfnissen widmen und mit Ihnen zusammen ausführlich die Möglichkeiten des Verfahrensablaufes erörtern.