Alkohol und Drogen spielen in vielen Strafverfahren eine zentrale Rolle – besonders im Sexualstrafrecht. Häufig steht am Anfang eines Ermittlungsverfahrens die Frage, ob der Beschuldigte unter dem Einfluss berauschender Mittel stand und ob sich dies auf seine Strafbarkeit, Schuldfähigkeit oder das Strafmaß auswirkt.

Zugleich stellt sich in vielen Fällen auch die Frage, ob die angeblich betroffene Person in ihrer Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung eingeschränkt war. Dieser Artikel beleuchtet die strafrechtliche Bedeutung von Alkohol- und Drogeneinfluss aus der Perspektive des Beschuldigten.


Intoxikation als strafrechtlich relevantes Verhalten

Ein häufiger Irrtum ist die Annahme, wer stark betrunken sei, könne für sein Verhalten nicht bestraft werden. Zwar kann eine schwere Intoxikation im Einzelfall zu einer Einschränkung oder gar Aufhebung der Schuldfähigkeit führen (§§ 20, 21 StGB). Dies entbindet jedoch nicht automatisch von strafrechtlicher Verantwortung.

Zudem greift in vielen Fällen der Grundsatz: Wer sich vorsätzlich in einen schuldunfähigen Zustand versetzt, haftet dennoch (§ 323a StGB, „Vollrausch“) – insbesondere, wenn er in diesem Zustand eine Straftat begeht, deren Gefährlichkeit er hätte voraussehen können.


Schuldfähigkeit und ihre Grenzen

Die zentrale Frage bei starkem Alkohol- oder Drogeneinfluss ist: War der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt in der Lage, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln? Das Gericht prüft dazu regelmäßig mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen:

  • Bei leichter bis mittlerer Intoxikation (z. B. < 2 Promille) wird meist keine Einschränkung der Schuldfähigkeit angenommen.

  • Bei schwerer Intoxikation (ab ca. 2,5 Promille) kann eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) vorliegen.

  • Eine vollständige Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) wird nur ausnahmsweise bei sehr hoher BAK (> 3,0 Promille) oder zusätzlichen psychischen Erkrankungen angenommen.

Im Sexualstrafrecht wird jedoch besonders streng geprüft, ob die Intoxikation nicht selbst herbeigeführt wurde. Wer sich fahrlässig oder absichtlich in diesen Zustand versetzt hat, kann sich nicht auf Schuldunfähigkeit berufen, wenn die Tat vorhersehbar war.


Alkoholisierung des mutmaßlichen Opfers – Einwilligungsfähigkeit und Schutzlücken

Nicht nur der Zustand des Beschuldigten, auch der der mutmaßlich betroffenen Person spielt eine entscheidende Rolle. Nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt, die „aufgrund ihres Zustands zum Widerstand unfähig“ ist.

Typischerweise betrifft dies:

  • stark alkoholisierte Personen

  • Opfer unter dem Einfluss sog. K.O.-Tropfen

  • schlafende oder bewusstlose Personen

Die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung kann bereits bei einer mittleren Alkoholisierung erheblich eingeschränkt sein. Ob die betroffene Person noch wirksam einwilligen konnte, ist eine Frage des Einzelfalls und wird regelmäßig durch Zeugenaussagen, medizinische Gutachten und Nachweise (z. B. Blutalkoholwerte, Videoaufnahmen) geklärt.


Verteidigung in Intoxikationsfällen

In der Strafverteidigung bei Sexualdelikten unter Einfluss von Alkohol oder Drogen ist eine differenzierte Herangehensweise erforderlich. Zentral sind unter anderem:

  • toxikologische Gutachten (z. B. BAK, Wirkstoffspiegel)

  • zeitlicher Zusammenhang von Konsum und Tat

  • Vorgeschichte (Alkoholerfahrung, psychische Vorerkrankungen)

  • Verhalten vor, während und nach der Tat

Auch Chatverläufe, Videoaufnahmen und Aussagen Dritter können Aufschluss über das Einvernehmen oder den Zustand der Beteiligten geben. Ziel der Verteidigung ist es, die tatsächlichen Umstände sachlich aufzuarbeiten und rechtlich korrekt einzuordnen.


Fazit

Alkohol oder Drogen ändern nichts daran, dass sexuelle Handlungen nur mit wirksamer Einwilligung straffrei sind. Für den Beschuldigten kann eine Intoxikation strafmildernd oder strafschärfend wirken – je nach Einzelfall. Die Beurteilung von Schuldfähigkeit, Einvernehmlichkeit und Einwilligungsfähigkeit erfordert eine sorgfältige Analyse aller Umstände. Eine fundierte strafrechtliche Einordnung und frühzeitige Verteidigung sind bei solchen Vorwürfen unverzichtbar.