Einleitung / Problemstellung:
Der fortschreitende Klimawandel und die dringliche Notwendigkeit einer Energiewende haben in Deutschland zu zahlreichen gesetzlichen Neuerungen geführt. Bund und Länder haben verschiedene Regelungen und Gesetze erlassen, um den Ausbau umweltfreundlicher Alternativen zu fossilen Energieträgern voranzutreiben. Eine dieser Maßnahmen ist die Einführung einer Solarpflicht, die Hausbesitzer verpflichtet, Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern von Neubauten und bei Dachsanierungen zu installieren.
Relevante Hintergrundinformationen:
Die Solarpflicht ist eine gesetzliche Anordnung, die Hauseigentümer dazu verpflichtet, Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen auf den Dächern von Neubauten und bei Dachsanierungen zu installieren. Diese Vorschriften zielen darauf ab, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen, die CO2-Emissionen zu senken und die Energiewende zu unterstützen. In Deutschland gibt es derzeit keine einheitliche bundesweite Regelung zur Solarpflicht; stattdessen hat eine Vielzahl der Bundesländer eigene Regelungen eingeführt.
Ein Beispiel für eine dieser rechtlichen Vorgaben ist die in Nordrhein-Westfalen (NRW) geltende Bauordnung, die ab Januar 2025 eine umfassende Solarpflicht vorsieht.
Die Solarpflicht gibt dabei nicht erst seit Januar 2025. Auch vorher bestand eine Solarpflicht, allerdings ab Januar 2024 nur für Nichtwohngebäude. Seit Januar 2025 gilt allerdings nunmehr:
„(1) Bei der Errichtung von Gebäuden, für die der Bauantrag
…
2. nach dem 1. Januar 2025 für Wohngebäude
gestellt wird, sind Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie auf den dafür geeigneten Dachflächen zu installieren und zu betreiben.“
Damit nicht genug. Auch für Bestandsgebäude gibt es eine Solarpflicht ab Januar 2026.
„(3) Die Pflicht nach Absatz 1 gilt auch bei vollständiger Erneuerung der Dachhaut eines Gebäudes, die nach dem 1. Januar 2026 begonnen wird.“
Zusätzlich sind über § 48 Ia BauO NRW Regelungen zur Solarpflicht für Stellplätze geregelt worden:
„(1a) Bei der Errichtung einer für eine Solarnutzung geeigneten Stellplatzfläche mit mehr als 35 notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge, die einem Nichtwohngebäude dient, ist über diese eine Anlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie zu errichten.“
Einzelheiten der Regelungen sowie Ausnahmevorschriften werden in den weiteren Absätzen des § 42a BauO NRW und in der Rechtsverordnung Verordnung zur Umsetzung der Solaranlagen-Pflicht nach § 42a und § 48 Absatz 1a der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Solaranlagen-Verordnung Nordrhein-Westfalen – SAN-VO NRW) geregelt.
Mindestgröße der Photovoltaikanlagen (§ 4 SAN-VO NRW):
- Für Neubauten gilt, dass mindestens 30 Prozent der Bruttodachfläche mit Photovoltaikanlagen bedeckt sein müssen.
- Bei vollständigen Dachsanierungen muss mindestens 30 Prozent der Nettodachfläche mit derartigen Anlagen belegt sein.
- Alternativ kann bei Wohngebäuden mit bis zu zwei Wohneinheiten eine Leistung von mindestens drei Kilowatt-Peak erbracht werden, bei größeren Gebäuden entsprechend mehr.
Ausnahmen und Erfüllungsoptionen (§ 5 SAN-VO NRW):
- Technische Unmöglichkeit: Die Solarpflicht entfällt, wenn es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, Photovoltaikanlagen zu installieren, beispielsweise bei nach Norden ausgerichteten Dächern oder wenn die Dachkonstruktion die Lasten der Anlagen nicht tragen kann.
- Wirtschaftliche Unvertretbarkeit: Die Pflicht entfällt ebenfalls, wenn die Kosten der Photovoltaikanlage wirtschaftlich unzumutbar sind, z.B. wenn die Amortisationszeit der Anlage 25 Jahre überschreitet oder die erhöhten Kosten für bautechnische Maßnahmen zur Erfüllung der Pflicht 70 Prozent der Anlagenkosten übersteigen.
- Weitere Erfüllungsoptionen bieten die Möglichkeit, das wirtschaftliche Potenzial für Photovoltaik durch solarthermische Anlagen auszuschöpfen oder Anlagen auf anderen Außenflächen des Gebäudes zu installieren.
Nachweispflichten und Ordnungswidrigkeiten (§ 8, § 11 SAN-VO NRW):
Eigentümer müssen den Nachweis der Installation und den Betrieb der Photovoltaikanlagen erbringen und entsprechende Dokumente aufbewahren. Bei Nichteinhaltung der Vorgaben drohen hohe Geldbußen, wobei für Nichtwohngebäude ein Maximalbetrag von bis zu 50.000 Euro vorgesehen ist. Für das klassische Ein- oder Zweifamilienhaus drohen bis zu 5.000 € Geldbuße. Darüber hinaus können Bauaufsichtsbehörden Nachrüstungsverpflichtungen erlassen, um die Erfüllung der Regelungen sicherzustellen.
Die Kontrolle der Pflicht zur Errichtung einer Solaranlage wird in stichprobenartiger Kontrolle erfolgen.
Folgen für die Praxis:
Die praktischen Konsequenzen der Solarpflicht für Hausbesitzer sind umfangreich. Besonders hervorzuheben sind die finanziellen Aspekte, da die Kosten für Photovoltaikanlagen erheblich variieren, je nach Größe und Ausstattung.
Hausbesitzer müssen sich daher frühzeitig Angebote von Solarteuren und Photovoltaik-Installateuren einholen, um die Installation in ihre Bau- oder Sanierungspläne zu integrieren.
Für Bauträger und Hauseigentümer bedeutet die Solarpflicht, dass sie schon in der Planungsphase ihrer Bauprojekte oder Dachsanierungen die Installation von Photovoltaikanlagen berücksichtigen müssen.
Viele Fragen sind offen. Die Dachhaut muss z.B. vollständig erneuert werden. Was also, wenn ich alle, bis auf einen Dachziegel austausche? Was, wenn ich 2026 die eine Dachhälfte erneuere, die andere erst ein Jahr später? Die Umgehungsmöglichkeiten bzw. Versuche liegen auf der Hand. Die noch zu erwartenden gerichtlichen Entscheidungen werden zeigen, ob derartige Versuche von Erfolg gekrönt sind. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Solarpflicht einen nicht gänzlich unerheblichen Eingriff in Grundrechte, darstellen dürfte. Eine schwammige gesetzliche Formulierung ist in diesem Kontext sicherlich nicht hilfreich.
Vermietete Liegenschaften werfen Probleme auf, ebenso Gebäude und Gruppen von Gebäuden, die in Gestalt einer Wohnungseigentümergemeinschaft aufgestellt sind. Wer zahlt die Solaranlage, wer nutzt die gewonnene Energiemenge? Solange der Eigenverbrauch des gewonnenen Stroms deutlich rentabler ist, als die Einspeisung, ist das Problem der Nutzung bei Personenmehrheiten nicht zu unterschätzen.
Fazit:
Die Solarpflicht stellt eine bedeutende gesetzgeberische Maßnahme zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Reduktion der CO2-Emissionen dar. Der Gesetzgeber ist bemüht ist, einen ausgewogenen Rechtsrahmen zu schaffen, der sowohl die Klimaschutzziele als auch die Interessen der Gebäudeeigentümer berücksichtigt.
Die konkreten Ausgestaltungen und vielfältigen Ausnahmemöglichkeiten sollen gewährleisten, dass die Pflicht zumutbar und durchsetzbar bleibt. Für betroffene Bauherren und Hauseigentümer ist es essentiell, sich umfassend über die geltenden Regelungen zu informieren und die notwendigen Maßnahmen frühzeitig in ihre Planungen einzubeziehen, um rechtliche und finanzielle Nachteile zu vermeiden.