von Rechtsanwalt Felix Tittel*
Das Insolvenzstrafrecht hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Insbesondere die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich der Insolvenzstraftaten spiegelt wirtschaftliche Trends und gesetzliche Veränderungen wider. Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland unterliegt konjunkturellen Schwankungen und war in den vergangenen Jahren auch durch externe Faktoren wie die Corona-Pandemie, staatliche Hilfsmaßnahmen und gesetzliche Änderungen im Insolvenzrecht beeinflusst.
Laut Statistischem Bundesamt war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland über Jahre hinweg rückläufig. Dies lag unter anderem an der guten wirtschaftlichen Lage bis 2019. Während der Corona-Pandemie wurde dieser Trend jedoch künstlich durch staatliche Stützungsmaßnahmen verzerrt, insbesondere durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Mit dem Auslaufen dieser Maßnahmen und der wirtschaftlichen Unsicherheit ist seit 2022 ein Anstieg der Insolvenzen zu verzeichnen.
Im Zusammenhang mit der steigenden Zahl von Insolvenzen kommt es vermehrt zur strafrechtlichen Verfolgung von Geschäftsführern und Vorständen. Typische Delikte im Insolvenzstrafrecht sind Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO), Bankrott (§ 283 StGB), Betrug (§ 263 StGB) und Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB). Da die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens häufig eine umfassende Prüfung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens nach sich zieht, kommen dabei nicht selten strafrechtlich relevante Sachverhalte ans Licht.
Parallel zur strafrechtlichen Verfolgung nimmt auch die zivilrechtliche Inanspruchnahme von Geschäftsführern und Vorständen zu. Insolvenzverwalter erheben zunehmend Ansprüche gegen Verantwortliche wegen pflichtwidriger Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§ 15 b InsO). Auch Sozialversicherungsträger und Finanzbehörden fordern rückständige Beiträge und Steuern ein, wobei Geschäftsführer persönlich haften können (§ 69 AO, § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266a StGB o.ä).
Handlungsempfehlungen für Geschäftsleiter
Um straf- und zivilrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, sollten Geschäftsleiter einige zentrale Maßnahmen ergreifen:
- Frühzeitige Finanzkontrolle und Liquiditätsplanung
Regelmäßige Überprüfung der finanziellen Lage des Unternehmens und rechtzeitige Maßnahmen zur Liquiditätssicherung können kritische Situationen frühzeitig erkennen lassen. - Frühwarnsysteme und externe Beratung nutzen
Die Implementierung von Frühwarnsystemen und die regelmäßige Konsultation von Rechts- und Steuerberatern helfen, Risiken rechtzeitig zu identifizieren und rechtssicher zu handeln. - Rechtzeitige Insolvenzantragstellung
Geschäftsführer sind verpflichtet, unverzüglich nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Eine Verzögerung kann straf- und einschneidende haftungsrechtliche Konsequenzen haben. - Keine unzulässigen Zahlungen leisten
Nach Eintritt der Insolvenzreife dürfen -mit wenigen Ausnahmen- keine Zahlungen mehr getätigt werden. Verstöße führen in der Regel zu einer persönlichen Haftung. - Sozialversicherungsbeiträge und Steuern priorisieren
Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern verwirklicht in der Regel einen Straftatbestand. Zugleich indizieren diese Delikte das Vorliegen des zwingenden Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit. In dieser Situation ist unverzügliches Handeln geboten
Durch eine umsichtige Unternehmensführung und die Beachtung dieser Empfehlungen können Geschäftsleiter das Risiko straf- und zivilrechtlicher Inanspruchnahme minimieren. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Insolvenzen nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein juristisches Risiko darstellen, dem verantwortungsbewusst begegnet werden muss.
Über den Autor und die Kanzlei
Felix Tittel ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsexperte. Er berät Unternehmen und Geschäftsführer bei der Bewältigung von Krisen und der Vermeidung persönlicher Haftungsrisiken. Mit seiner langjährigen Erfahrung hilft er, komplexe Insolvenzen effizient zu lösen und langfristige Sanierungserfolge zu erzielen.
LFR Wirtschaftsanwälte ist eine spezialisierte Kanzlei in München, die Unternehmen, Unternehmer und Freiberufler in allen Fragen des Wirtschaftsrechts unterstützt. Die Kanzlei bietet umfassende Beratung im Bereich Sanierung, Restrukturierung und Insolvenz an. Weitere Informationen finden Sie unter: Restrukturierung & Insolvenz - LFR Wirtschaftsanwälte (lfr-law.de)