In einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig (Az. 1 UF 179/20) wurde eine komplexe Familiensache behandelt, die sich mit dem Umgangsrecht eines Vaters mit seiner fast volljährigen Tochter befasste. Das Urteil beleuchtet wichtige Aspekte des Kindeswohls und der Autonomie von Jugendlichen im Umgangsrecht.

Sachverhalt

Die fast 18-jährige C. S. lebt seit der Trennung ihrer Eltern im Jahr 2015 bei ihrer Mutter. Aufgrund einer körperlichen Einschränkung ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Über die Jahre hinweg gab es mehrere Vereinbarungen zum Umgang mit ihrem Vater, die von begleiteten zu unbegleiteten Kontakten übergingen. Im Jahr 2019 wurde ein vierzehntägiger Wochenendumgang vereinbart, der jedoch 2020 aufgrund von Belastungssymptomen bei C. auf ein Treffen jedes vierte Wochenende reduziert wurde.

Im März 2020 verweigerte C. weitere Umgangstermine, was schließlich zu einem befristeten Umgangsausschluss führte. Trotz des Ablaufs dieser Frist kam es zu keiner Wiederaufnahme persönlicher Kontakte zwischen C. und ihrem Vater.

Verfahrensverlauf

Im März 2024 beantragte der Vater beim Amtsgericht eine erneute Regelung des Umgangsrechts. Das Jugendamt berichtete, dass C. zwar in Kontakt mit ihrem Vater stehe, jedoch große Bedenken gegen persönliche Treffen habe. Während einer Anhörung erklärte C., dass sie selbst entscheiden wolle, ob sie ihren Vater sehe oder nicht.

Das Amtsgericht wies den Antrag des Vaters zurück und auferlegte ihm die Verfahrenskosten. Es begründete dies damit, dass jegliche Umgangsregelung oder ein Umgangsausschluss das Wohl von C. gefährden würde, da sie alt genug sei, selbst über den Kontakt zu ihrem Vater zu entscheiden.

Beschwerde des Vaters

Der Vater legte Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein, da er der Meinung war, dass eine gegenseitige Kostenaufhebung in Kindschaftsverfahren der Billigkeit entspreche. Zudem hielt er weiterhin einen Umgang für kindeswohlgerecht und bezweifelte die Neutralität des Jugendamts.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags auf Umgangsregelung. Es betonte, dass in Ausnahmefällen, insbesondere bei fast volljährigen Jugendlichen, von einer Umgangsregelung abgesehen werden könne, wenn diese sich einer solchen verweigern. C. habe klar geäußert, dass sie selbst über den Kontakt zu ihrem Vater entscheiden wolle, und es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ihre Willensbekundungen nicht ihrem wirklichen Willen entsprächen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung änderte das Oberlandesgericht den Beschluss jedoch ab und entschied, dass die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz von beiden Elternteilen zur Hälfte zu tragen seien. Die außergerichtlichen Kosten sollten die Beteiligten jeweils selbst tragen.

Fazit

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung des Kindeswohls und der Autonomie von Jugendlichen im Umgangsrecht. Es zeigt, dass das Gericht in besonderen Fällen, insbesondere bei fast volljährigen Jugendlichen, von einer festen Umgangsregelung absehen kann, wenn diese sich dagegen aussprechen. Zudem verdeutlicht es, dass in Kindschaftsverfahren eine gerechte Kostenverteilung zwischen den Elternteilen erfolgen sollte.

Für betroffene Eltern bedeutet dies, dass die Wünsche und das Wohl des Kindes stets im Vordergrund stehen und respektiert werden müssen. Eine gerichtliche Regelung des Umgangsrechts ist nicht immer die beste Lösung, insbesondere wenn das Kind alt genug ist, um selbst über den Kontakt zu entscheiden.


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