Haben Sie es schon erlebt – man hat sich ein neues Auto angeschafft und möchte ein bisschen angeben und vor allem die Leistung voll rausholen. Bei einer Testfahrt mit Freunden wird mit dem Auto auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt, um mal zu zeigen, was das Auto so alles kann. Leider kann so ein leichtsinniges Verhalten auch gefährlich enden. In solchen Situationen entstehen oftmals Unfälle, bei denen Passagiere verletzt oder gar getötet werden.
Sollten Sie der Fahrer des Autos gewesen sein, warnt Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld, dann wird auf Sie nun ein Strafverfahren wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge gem. § 315d Abs. 5 StGB zukommen. Dieses Delikt wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
Anlass dieses Rechtstipps ist ein Urteil des BGH vom 04. Dezember 2024 (4 StR 246/24), bei dem es um einen so gelagerten Sachverhalt ging.
Sachverhalt des Urteils
Im besagten Fall fuhr der 19-jährige Angeklagte einen allradgetriebenen BMW 740d. In seinem Fahrzeug befanden sich neben ihm noch vier weitere Passagiere. Am Unfalltag (Ende Juli) kam es vermehrt zu Starkregen, wodurch sich Wasserpfützen bildeten. Zudem gab es Windböen.
Am Abend befuhr der Angeklagte mit seinem Fahrzeug eine insgesamt vierspurige Bundesstraße. Der Angeklagte musste an einer Ampel auf der rechten Spur an fünfter Stelle halten. Auf der linken Spur stand ein hochmotorisierter Audi A8. Dies beschleunigte bei grün auf 120 km/h obwohl nur 100 km/h erlaubt waren. Der Angeklagte beschleunigte erst nur auf 50 km/h, dann wechselte er die Fahrspur, um auf der linken Spur Vollgas zu geben. Der Audi wechselt auf die rechte Spur und ließ den BMW-Fahrer überholen. Dann beschleunigte der Angeklagte auf der Strecke auf 179 km/h. Die bis dato gerade Strecke machte eine Linkskurve, in der sich aufgrund des Regens Wasser gesammelt hatte. In dieser Linkskurve, welche der Angeklagte mit 144 bis 177 km/h befuhr, geriet der Pkw ins Schleudern und prallte schlussendlich gegen einen Baum im Bankett der rechten Fahrbahnseite. Zwei der Insassen starben. Ein weiterer überlebte mit schwersten Verletzungen und ist dauerhaft pflegebedürftig. Der Angeklagte und der Beifahrer trugen eine Armfraktur davon.
Rechtliche Einschätzung
Der Fall wurde vor dem Landgericht in Landau verhandelt. Das Landgericht verurteile den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge gem. § 315d StGB. Durch die Revision des Angeklagten hob der Bundesgerichtshof dieses Urteil nun auf. Grund dafür waren unzureichende Feststellungen des Tatgerichts zur inneren Tatseite, also dem Vorsatz des Fahrers.
Gefährdungsvorsatz – welche Feststellungen muss das Gericht treffen?
Das Landgericht muss bei der Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge gem. § 315d Abs. 5 StGB feststellen, dass der Angeklagte einen Gefährdungsvorsatz i.S.v. § 315d Abs. 2 StGB hatte. Dabei ist nur bedingter Vorsatz erforderlich. Dieser liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des Schadens zumindest als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt und ihn billigend in Kauf nimmt, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder unerwünscht sein. Insbesondere muss er über die Gefährlichkeit hinaus Umstände kennen, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lässt und sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfinden. Um diesen Vorsatz zu ermitteln, muss das Gericht eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände im konkreten Einzelfall vornehmen.
Zu beachten sind:
- Auseinandersetzung mit Persönlichkeit des Täters und psychischer Verfassung bei Tatbegehung
- Motivation des Täters
- Objektive Gefährlichkeit der Tathandlung
- Gefahr für körperliche Integrität des Täters à bei erkannter Eigengefahr wohl eher Vertrauen auf guten Ausgang
- Kenntnisse von der Fahrstrecke und Gefahrenstellen
- Genutzte Verkehrsmittel
- Vorangegangenes Fahrverhalten
- Erfahrungen des Täters aus bisherigem Fahrverlauf
Die Begründung des Gefährdungsvorsatz muss nachvollziehbar und vor allem inhaltlich widerspruchsfrei erfolgen.
Das Landgericht hat bei der Verurteilung des Angeklagte den Vorsatz nicht hinreichend begründet. Im Rahmen der Feststellungen hat das Landgericht sich nicht davon überzeugen können, dass der Unfallort als eine Gefahrstelle für Aquaplaning bekannt war. Sowohl die Vorstellungen des Angeklagten wurden nicht hinreichend erläutert als auch objektive Umstände wie die Witterungsbedingungen, welche sich im Zeitpunkt der Tat schon gebessert hatten, wurde in die Abwägung nicht mit einbezogen. Inwiefern der Angeklagte mit einer Eigengefährdung rechnete und welche Unfallszenarien er sich möglicherweise vorgestellt hat, wurde vom Landgericht ebenfalls nicht erläutert. Aufgrund dessen hat der BGH die Feststellungen des Landgerichts als nicht ausreichend erachtet und die Verurteilung aufgehoben.
Strafverteidigung - Kampf ums Recht und ein gutes Ergebnis!
Die Aufhebung des Urteils zeigt, dass es unerlässlich ist einen erfahren und engagierten Strafverteidiger an Ihrer Seite zu haben. Gerichte handeln auch fehlerhaft und nur ein erfahrener Verteidiger kann dies für Sie erkennen. Bei der Überprüfung Ihres Urteils erkennt ein Verteidiger, wenn ein Gericht ohne hinreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite eine Verurteilung ausspricht. Ein versierter Strafverteidiger erhebt für Sie Revision und kämpft mit Ihnen, um ein ungerechten Ausgang des Verfahren abzuwenden. Bestenfalls engagieren Sie schon im Ermittlungsverfahren einen professionellen Strafverteidiger, der schon ab Beginn des Verfahrens mit Ihnen günstige Verteidigungsargumente vorbringt, damit es zur Anklage erst gar nicht kommt. Vor Gericht ist es unerlässlich, einen versierten Rechtsbeistand in Strafsachen an Ihrer Seite zu haben, welcher entlastende Umstände für Sie vorträgt und ein faires Verfahren sichert.