Ausgangslage:
Optune Gio ist ein medizinisches Gerät, das zur Behandlung von Gliomen WHO-Grad 4, einer aggressiven Form von Hirntumor, eingesetzt wird. Es nutzt sogenannte Tumor Treating Fields (TTFields - elektrische Wechselfelder), um das Wachstum von Krebszellen zu verlang-samen oder zu stoppen. Diese TTFields sind elektrische Felder, die auf das Gehirn gerichtet werden und die Tumorzellteilung stören, was letztlich das Tumorwachstum hemmt.nDas Gerät erzeugt die elektrischen Felder und ist über Kabel mit auf dem Kopf des Patienten angebrachten Arrays verbunden. Diese Arrays übertragen die TTFields auf den Tumorbereich. Die Behandlung mit Optune Gio wird in der Regel kontinuierlich und zusammen mit anderen Therapien wie Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie angewendet.
Optune Gio wurde in Deutschland über die CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt zur Behandlung von Gliomen WHO-Grad 4 zugelassen, basierend auf positiven Ergebnissen klinischer Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit und hat sich als Therapieform zur Behandlung von Gliomen WHO-Grad 4, genauer Glioblastomen und Astrozytomen WHO-Grad 4, etabliert. Die Anwendung der Therapie erfordert jedoch ein gewisses Maß an Engagement und Anpassung seitens des Patienten, da sie kontinuierlich für einen Großteil des Tages ange-wendet werden muss. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich mit der Behandlung von Glioblastomen mit Optune Gio befasst. Der G-BA ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen und entscheidet unter anderem über die Erstattungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).
Im Jahr 2020 hat der G-BA beschlossen, dass die Kosten der Behandlung mit Tumor Trea-ting Fields (TTFields) bei neu diagnostiziertem Glioblastom von der GKV übernommen wer-den kann, wenn nach Abschluss der Radiochemotherapie keine frühe Krankheitsprogression nachgewiesen wurde, und zwar auch für die Weiterbehandlung bis zum zweiten Progress. Diese Entscheidung basiert auf einer positiven Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit der Methode in dieser Situation. Für Patienten mit rezidiviertem Glioblastom ist die Situation jedoch anders. Der G-BA hat entschieden, dass die Evidenzlage für die Anwendung von TTFields bei rezidiviertem Glioblastom nicht ausreicht, um eine generelle Kostenübernahme durch die GKV zu rechtfertigen. Das bedeutet, dass die Kosten der Behandlung mit Optune Gio bei Therapiestart bei einem rezidivierten Glioblastom in der Regel nicht von der GKV übernommen werden.
Sachverhalt:
Trotz dieser eindeutigen Rechtslage lehnen einige gesetzliche Krankenkassen immer wieder die Versorgung mit Optune Gio ab, obwohl nach Radiochemotherapie noch keine Progression und kein Rezidiv aufgetreten sind. Die Entscheidungspraxis ist hier leider uneinheitlich und weist auch Unterschiede zwischen den einzelnen Krankenkassen auf. Die perfidere Al-ternative der Krankenkassen ist es, über den Antrag einfach nicht zu entscheiden. Der Betroffene läuft in diesen Fällen Gefahr, dass ein Progress oder ein Rezidiv auftritt und der vorgesehene Beginn der Behandlung mit TTFields verpasst wird. Hat die Krankenkasse zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, so ist sie nicht mehr verpflichtet, Optune Gio zu bewilligen. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung liegen die Voraussetzungen einer Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse, die der G-BA aufgestellt hat, nicht mehr vor. Rechtliche Lösung:Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann man der Krankenkasse ihre Grenzen aufzeigen. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus dem Beschluss des G-BA. Ein Anordnungsgrund resultiert grundsätzlich ebenfalls aus den Voraussetzungen des G-BA-Beschlusses, sowie aus der Schwere der Erkrankung. Kritisch ist ein solcher Anordnungsgrund jedoch, wenn die Betroffenen in Ausnahmefällen durch den Hersteller bereits versorgt werden.Ob diese Argumentation verfängt, bleibt unklar. Denn in zwei Verfahren im Januar 2025 hat die Krankenkasse den Anspruch auf Kostenübernahme jeweils anerkannt, bevor das Gericht entschieden hat. Tendenziell war nicht zu erkennen, dass das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen hätte.
Fazit:
Da die Krankenkasse die Bewilligung der Behandlung mit TTFields rechtmäßig ablehnen kann, wenn zwischen Antrag und Bescheid ein Progress oder Rezidiv beim Patienten auftritt, ist in Fällen der Versorgung mit TTFields Eile geboten. Die für die Krankenkassen gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsfristen, vor allem im Hinblick auf Widerspruchsverfahren, sind in solchen Versorgungsfällen zu lange bemessen, um dem Patienten eine Versorgungssicherheit zu geben. Nur durch einstweiligen Rechtschutz lässt sich der Anspruch zeitnah durchsetzen.