(ArbG Leipzig, Urteil vom 12. April 2024, Aktenzeichen: 9 Ca 1146/23)
Eine Kündigung wird erst dann wirksam, wenn sie dem Kündigungsempfänger zugegangen ist.
Für den Zugang sind grundsätzlich 2 verschiedene Varianten denkbar:
Zugang unter Anwesenden:
Recht einfach liegt der Fall, wenn die Kündigung persönlich übergeben wird. Sie geht dann sofort in diesem Zeitpunkt zu. Für die Berechnung der Kündigungsfrist ist dann das Datum dieses Tages zugrunde zu legen.
Zugang unter Abwesenden:
Beim Zugang unter Abwesenden, bei dem die Kündigung z. B. per Post oder Bote übermittelt wird, sind dagegen einige Dinge zu beachten: Eine Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden (§ 130 BGB) geht zu, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er von dieser Kenntnis nehmen kann.
Im vorliegenden Fall kündigte der von uns vertretene Arbeitgeber (Beklagte) das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit Schreiben vom 05.05.2022. Der Arbeitnehmer (Kläger) erhob gegen die Klage außerhalb der Frist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage und machte geltend, dass ihm die streitgegenständliche Kündigung erst nach Ablauf der 3-Wochen-Frist zur Kenntnis gelangt sei.
Der Zugang dieser außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber, zugestellt durch den Gerichtsvollzieher, war mithin zwischen den Parteien streitig.
Entgegen der Ansicht des klagenden Arbeitnehmers kommt es jedoch nicht darauf an, dass er die Kündigung jemals tatsächlich körperlich in den Händen gehalten hat bzw. dass die Beklagte den Kläger per WhatsApp hierüber informierte. Maßgeblich ist allein, ob das Kündigungsschreiben so in den Herrschaftsbereich des Klägers gelangt ist, dass er dieses zur Kenntnis nehmen konnte. Es gelten hier die allgemeinen Grundsätze des § 130 Abs. 1 BGB.
Danach ist für den Zugang einer Kündigung erforderlich, dass die Kündigungserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er unter normalen Verhältnissen von ihr Kenntnis nehmen kann. Entscheidend ist insoweit die Verkehrsanschauung. Auf den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer von der Kündigung tatsächlich Kenntnis erlangt, kommt es nicht an (vgl. Linck/Krause/Bayreuther, KSchG, 16. Aufl., § 4 Rn. 103 ff. mit Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung).
Da dem Kläger nachweislich am 14.05.2024 in seinem Hausbriefkasten in seiner Wohnung ein Kündigungsschreiben zugestellt worden war, war dies für den Kläger auch insoweit maßgeblich, als er sich auswärts aufgehalten hat. Denn die Beklagte hatte den Zugang des Kündigungsschreibens nur an seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu bewirken und damit also an seinem Wohnort, den der Kläger während seines Arbeitsverhältnisses unterhielt. Hat der Gerichtsvollzieher am 14.05.2022 eine Kündigung in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen, so galt mit dem Zeitpunkt des Einwurfs das Kündigungsschreiben dieses als an den Kläger zugegangen, weil es jedenfalls so in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist, dass der Kläger eine objektive Zugangsmöglichkeit hierzu hatte.
Bei Abwesenheit hätte er gegebenenfalls dafür zu sorgen gehabt, dass ihn erreichende Post nachgesendet wird bzw. eine entsprechende Aufsicht über den Hausbriefkasten erfolgt, damit er über eingehende Post benachrichtigt werden konnte.
All dies hatte der Kläger offenkundig nicht bewirkt.
Der Kläger hatte sich also den Zugang der Kündigung zurechnen zu lassen, die nach § 7 KSchG mit Ablauf von drei Wochen bestandskräftig geworden ist, nachdem der Kläger keine Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist des § 4 KSchG erhoben hatte.
Hiernach wurde das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 05.05.2022, die dem Kläger am 14.05.2022 zugestellt worden war, aufgelöst.
Mit dieser Begründung wies das Arbeitsgericht Leipzig mit Urteil vom 12. April 2024 (Aktenzeichen: 9 Ca 1146/23) die Kündigungsschutzklage des Klägers ab und schloss sich der von uns vertretenen Rechtsauffassung unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an.
Heiko Posiege
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Strafrecht