Ein Fluggast, der wegen der Annullierung seines Fluges eine Ausgleichszahlung erlangt hat und der den ihm angebotenen Alternativflug akzeptiert hat, hat auch einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Verspätung des Alternativflugs, wenn eine Verspätung von mindestens 4 Stunden vorliegt.
EuGH: doppelte Entschädigung bei Annullierung des Fluges und Verspätung des Ersatzfluges
Das Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Passagieren eine doppelte Entschädigung zusteht, wenn ihr Flug annulliert wurde und der Ersatzflug Verspätung über 4 Stunden hat. Der Anspruch auf Doppelentschädigung war jahrelang durch BGH verneint worden.
Sachverhalt:
Der Kläger buchte bei der Beklagten Fluggesellschaft Finnair einen Direktflug von Helsinki nach Singapur. Aufgrund eines technischen Defekts an der Maschine wurde dieser annulliert. Der Kläger wurde auf einen Flug Helsinki–Singapur via Chongqing (China) umgebucht. Dieser Ersatzflug wurde ebenfalls von Finnair durchgeführt. Wegen einer ausgefallenen Servolenkung für das Steuerruder der Maschine verzögerte sich auch dieser Flug. Tatsächlich kamen die Passagiere fast sieben Stunden später am Zielort an.
Die beklagte Fluggesellschaft gewährte dem Kläger Entschädigung in Höhe von 600 Euro für den annullierten Flug und lehnte eine Entschädigungszahlung für den verspäteten Ersatzflug.
Die Entscheidung:
Der EuGH hielt die Klage für begründet und sprach dem Kläger den Anspruch auf Entschädigung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 auch für den verspäteten Ersatzflug zu.
Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Verordnung Nr. 261/2004 keine Bestimmung enthält, mit der die Rechte der Fluggäste, die anderweitig befördert werden, beschränkt werden sollen; das gilt auch für ihren Ausgleichsanspruch.
Für diese Auslegung spräche auch der zweite Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004, dass diese dem Ärgernis und den großen Unannehmlichkeiten, die eine Nichtbeförderung, die Annullierung oder eine große Verspätung von Flügen verursachen, abhelfen soll.
Fluggäste, die Annullierungen oder große Verspätungen hinnehmen mussten, hatten aber solche Unannehmlichkeiten sowohl in Verbindung mit der Annullierung ihres ursprünglich gebuchten Fluges als auch später aufgrund der großen Verspätung ihres Alternativflugs.
Zum anderen bliebe in einem solchen Fall, wenn das Luftfahrtunternehmen nicht der Verpflichtung unterläge, unter den vorgesehenen Voraussetzungen an die betreffenden Fluggäste Ausgleichszahlungen zu leisten, die Verletzung seiner Verpflichtung zu einer Unterstützungsleistung gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 folgenlos. Da die Verpflichtung zu Ausgleichsleistungen unbestreitbar Wirkungen dahin zeigt, das Luftfahrtunternehmen zur wirksamen Unterstützungsleistung zu veranlassen, würde die Folgenlosigkeit bewirken, dass die Gewährleistung des Anspruchs der Fluggäste auf anderweitige Beförderung gefährdet würde, was dem im ersten Erwägungsgrund dieser Verordnung erklärten Ziel eines hohen Schutzes zuwiderliefe.
Daher sei Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass ein Fluggast, der wegen der Annullierung eines Fluges eine Ausgleichszahlung erlangt hat und den ihm angebotenen Alternativflug akzeptiert hat, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Verspätung des Alternativflugs hat.