Wer sich in der Rolle eines Beschuldigten befindet, ist regelmäßig gut beraten, sich eines Verteidigers zu bedienen. Ohne professionelle anwaltliche Hilfe ist das Risiko eines ungünstigen Verfahrensverlaufs besonders groß. Doch wie finde ich den passenden Strafverteidiger für mein eigenes Verfahren? Worauf sollte ich achten?
Hier eine kleine Hilfestellung:
Wer alles macht, macht vielleicht nichts besonders gut
Viele Anwälte bieten Rechtsvertretung in einer großen Bandbreite von Rechtsgebieten an. Und tatsächlich gibt es auch viele alltägliche Rechtsprobleme, deren Lösung nicht unbedingt einen Spezialisten erfordert.
Allerdings ist unser Rechtssystem durchaus komplex. Niemand kann sich gleichermaßen gut auf allen Rechtsgebieten auskennen. Wer sich auf vielen Gebieten betätigt, hat naturgemäß auf dem einzelnen Gebiet jeweils wesentlich weniger Fälle und somit wesentlich weniger Erfahrungsdichte im Umgang mit dieser Materie. Jeder auf der Suche nach anwaltlicher Hilfe muss daher zunächst für sich selbst entscheiden, wie bedeutsam das eigene Rechtsproblem ist und ob die Hinzuziehung eines mit Spezialwissen ausgestatteten Anwalts ratsam erscheint.
Gute Verteidigung erfordert stets Spezialwissen und Erfahrung
Für den Bereich des Strafrechts gilt: die Situation als Beschuldigter ist (ob schuldig oder unschuldig) besonders belastend, oft in existenzgefährdender Weise, etwa wenn Haft oder hohe Geldstrafen oder Entzug der Fahrerlaubnis drohen. Zu Beginn ist meist unklar, wie sich die Beweissituation darstellt. Auf die Qualität und Schnelligkeit der polizeilichen Ermittlungen hat der Beschuldigte keinen Einfluss. Wie die Sache am Ende ausgehen wird, ist völlig offen. Stress und Unsicherheit machen sich breit, im Kopf des Beschuldigten, aber schnell auch im sozialen Umfeld (Familie, Freunde, Arbeitgeber, usw.), sobald dieses vom Tatvorwurf erfährt.
Viele Ermittlungsverfahren gehen mit einer anspruchsvollen Beweislage einher. Deren sachgerechte Beurteilung durch den Verteidiger setzt besondere Kenntnisse auch in Bereichen außerhalb des Rechts voraus. So erfordert z. B. die Aufklärung eines Verkehrsunfalls (beim Vorwurf der Unfallflucht oder der fahrlässigen Tötung) häufig Kenntnisse aus dem Bereich der Verkehrsunfallanalytik oder Biomechanik. Nach einem Tötungs- oder Körperverletzungsdelikt gilt es, sich mit den Methoden der Kriminaltechnik (z. B. DNA-Spuren, daktyloskopische Spuren / Fingerspuren), mit Tatortspurenberichten und rechtsmedizinischen Gutachten auseinanderzusetzen. Beim Vorwurf eines Sexualdelikts gibt es oft keine Zeugen, es besteht hier besonders häufig die klassische Beweiskonstellation „Aussage gegen Aussage“. Deren Beurteilung erfordert u. a. Kenntnisse der Aussagepsychologie, um die Glaubhaftigkeit von Aussagen (z. B. mit Blick auf ihre Entstehung, inhaltliche Konstanz und Widerspruchsfreiheit im Kerngeschehen) qualifiziert bewerten zu können. Wer in Betäubungsmittelverfahren verteidigt, muss sich mit den einschlägigen Substanzen und ihren Wirkstoffgrenzwerten ebenso auskennen, wie mit den Auswirkungen des Drogenkonsums auf die Schuldfähigkeit. Die Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren setzt Kenntnis von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen voraus. Die zunehmend im Internet begangenen Straftaten produzieren digitale Spuren, deren Auswertung technischen Sachverstand erfordert, usw.
Verteidigung nur durch Fachanwälte für Strafrecht
Aufgrund der vorgenannten Komplexität, die mehr oder weniger jedes Ermittlungsverfahren prägt, ist der sonst so zuverlässige und sympathische Haus- oder Unternehmensanwalt oft nicht die beste Wahl. Anwaltliche Erfahrung auf anderen Rechtsgebieten hilft dem Beschuldigten ebenfalls nicht weiter: der Scheidungsanwalt oder die Arbeitsrechtsanwältin sind nicht automatisch versierte Strafverteidiger (und umgekehrt). Der Trend geht (wie in der Medizin) auch in der Anwaltschaft seit vielen Jahren zur Spezialisierung. Idealerweise wendet sich der Beschuldigte an eine(n) erfahrene(n) Fachanwalt / Fachanwältin für Strafrecht. Fachanwälte verfügen auf dem jeweiligen Fachgebiet über besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen, welche vor dem Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung geprüft wurden. Fachanwälte sind zudem verpflichtet, sich regelmäßig auf ihrem Gebiet fortzubilden und dies jährlich unaufgefordert der Rechtsanwaltskammer nachzuweisen.
Empfehlungen, Bewertungen oder Informationen auf der Website können neben der Fachanwaltsbezeichnung hilfreich sein. Betätigt sich ein Fachanwalt laut seiner Homepage nur auf den Rechtsgebieten seiner Fachanwaltsbezeichnung, spricht einiges dafür, dass hier eine glaubhafte Spezialisierung der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt.
Empfehlungen und Informationen aus dem Netz sind aber auch nur ein erster Anhaltspunkt und keine Garantie für das Engagement eines Anwalts oder gar für einen Erfolg im eigenen noch offenen Verfahren.
Klärung wichtiger Vorfragen im Anbahnungsgespräch
Deswegen sollte unbedingt ein persönlicher Kontakt hergestellt werden. Im Rahmen eines ersten und noch unverbindlichen Anbahnungsgesprächs finden Beschuldigter und Anwalt am besten heraus, ob eine vertrauensvolle Grundlage für die Mandatierung gegeben ist.
Hierbei sollten wichtige Vorfragen geklärt werden. Fragen wie "Hört mir dieser Anwalt zu?" oder "Interessiert er (oder sie) sich für meinen Fall?" sind ebenso berechtigt, wie die Frage nach der Erfahrung des Rechtsanwalts mit derartigen Verfahren. Man sollte von Anfang an ein gutes Gefühl haben. Von Beginn an fehlende Sympathie wird sich selten im späteren Mandatsverlauf noch einstellen. Ein guter Strafverteidiger sollte seinem künftigen Mandanten überzeugend vermitteln können, dass er der Angelegenheit gewachsen ist und sich mit all seiner Professionalität, Erfahrung und Kompetenz einbringen wird. Dazu gehört auch, Handlungsempfehlungen auszusprechen und die gebotenen ersten Schritte im Rahmen der Verteidigung zu erläutern. Klartext statt Schwurbelei!
Vergütung
Wichtig ist auch Transparenz beim Verteidigerhonorar. Falsche Scheu ist hier fehl am Platz, denn jeder Mandant braucht finanzielle Planungssicherheit und will zurecht wissen, was in etwa auf ihn (oder sie) zukommt. Und auch der Anwalt muss das Mandat wirtschaftlich sinnvoll führen und die erforderliche Zeit für die Fallbearbeitung einplanen können. Insofern ist die Finanzierbarkeit auch eine wichtige Säule jeder Verteidigung. Klar ist: gute Verteidigung kostet Geld. Es ist vielleicht eine der wichtigsten Investitionen in einer besonders belastenden Zeit. Nur wer den Fall und die Beweislage sehr gut kennt, kann als Verteidiger bestmöglich beraten und eine erfolgversprechende Strategie erkennen und umsetzen. Daher empfiehlt es sich nicht unbedingt, nach „dem günstigsten Anwalt“ zu suchen, wenn vermieden werden soll, dass der Fall mangels ausreichender anwaltlicher Befassung mit der Materie im Desaster endet. Je nach Umfang des Verfahrens und der Tatvorwürfe und des zu erwartenden Aufwands wird man sich in der Regel auf ein individuell angemessenes Honorar verständigen können. Zu Beginn eines Mandats und vor Akteneinsicht behilft man sich oftmals zunächst mit einem vorläufigen Gebührenvorschuss, bis später besser eingeschätzt werden kann, welche konkrete Vergütungsregelung notwendig und angemessen erscheint.
Die Frage nach dem anfallenden Honorar darf also immer gestellt werden. Wer als Anwalt transparent und mandantenorientiert arbeitet, wird diesen Aspekt von sich aus ansprechen und entsprechend aufklären. So kann jeder Beschuldigte schnell für sich entscheiden, ob sein Budget passt und die Investition stimmig erscheint.
Aufgepasst bei Internet-Angeboten!
Der Rechtsberatungsmarkt findet überall statt. Dies haben auch viele Anbieter im Internet entdeckt. Geworben wird mit aufwendigen Webseiten, auf denen oft alle Dokumente hochgeladen werden können und der Fall mehr oder weniger automatisiert abgewickelt werden soll. Angepriesen werden Erfahrungen in Tausenden Fällen und hohe Erfolgsquoten (was beides für den User im Netz nicht prüfbar ist). Unter anderem im Bereich des Bußgeldrechts bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, Blitzer, Bußgeldbescheid, drohendem Fahrverbot und Punkten im Fahreignungsregister suggeriert manche Website, die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verteidigung sei nur wenige Mausklicks entfernt. Auch Künstliche Intelligenz erfährt zunehmend Einzug. Nur: jeder Fall ist anders und hat individuelle Ausprägungen. Die Rechtsprechung ist regional mitunter sehr unterschiedlich. Am Ende entscheidet bisher noch immer ein Richter, keine KI. Versprechungen und automatisierte Textbausteine von oft weitgehend anonymen Verfassern ersetzen daher keine individuelle Fallprüfung durch einen Fachanwalt. Persönlicher Einsatz des Anwalts, rhetorisches Geschick, Empathie, Diplomatie und Kreativität im Rahmen der Mandatsführung können den entscheidenden Unterschied machen.
Persönliche Erreichbarkeit und Bearbeitung
Bei auftauchenden Fragen sollte der Anwalt für Sie auch immer zeitnah persönlich erreichbar sein. Der gewählte Verteidiger sollte auch grundsätzlich bereit sein, etwaige (auch auswärtige) Gerichtstermine persönlich wahrzunehmen und nicht – wie oft vorzufinden - kurz vor einer Hauptverhandlung einen Anwalt am Gerichtsort in Untervollmacht in den Termin entsenden, der den Fall und Sie nicht kennt. Bei kleineren Verfahren kann dies aus Kostengründen ausnahmsweise vertretbar sein, wenn der Mandant vorher eingebunden wird und zustimmt. Je größer die Bedeutung des Falls für den Mandanten, umso wichtiger wird es ihm sein, den ausgewählten Rechtsanwalt durchgängig als persönlichen Ansprechpartner und Bearbeiter des Falls an seiner Seite zu haben.
Vorsicht auch bei Rechtsschutz-Empfehlungen!
Problematisch erweisen sich zudem oft der Rechtsrat und die Empfehlungen von Hotlines der Rechtschutzversicherer oder deren Vertragsanwälte. Die Auskunftgeber sitzen oft weit entfernt vom Fall und späteren Gerichtsort irgendwo in deutschen Metropolen und geben ihre Antworten vom Schreibtisch aus, oft ohne die Ermittlungsakte gesehen zu haben und z. T. ohne über eigene Erfahrung als Strafverteidiger vor Gericht zu verfügen. Viele mit Rechtsschutzversicherern kooperierende Kanzleien arbeiten für vergleichsweise niedrige Gebühren. Im Gegenzug vermittelt der Rechtsschutzversicherer dorthin die Anfragen der versicherten Kunden bei Rechtsproblemen. Klingt nach „Masse statt Klasse“ – und ist es leider oft auch.
Die freie Auswahl des eigenen Anwalts sollte nach eigenen Maßstäben und Qualitätskriterien erfolgen, nicht aber danach, ob dem Rechtsschutzversicherer aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit einigen Kanzleien möglichst wenig Kosten entstehen.
Zahlt meine Rechtsschutzversicherung das Anwaltshonorar?
Speziell im Strafrecht sind viele Sachverhalte nicht rechtschutzversicherbar. Versichert sind oft nur die gesetzlichen Gebühren, die bei aufwendigen Verfahren nicht ausreichen, um effizient verteidigen zu können. Bei manchen Vorwürfen steht der Versicherungsschutz unter dem Vorbehalt, dass eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat unterbleibt. Einige Versicherer bieten Spezial-Straf-Rechtsschutz mit erweitertem Versicherungsschutz auch für ein individuell vereinbartes Verteidigerhonorar an. Die Details regelt der jeweilige Versicherungsvertrag mit den zugehörigen Bedingungen. Erfahrene Fachanwälte für Strafrecht erkennen, ob eine Kostentragung oder Kostenbeteiligung des Rechtschutzversicherers in Betracht kommen kann und klären dazu gern frühzeitig auf.
Rechtsanwalt Martin Doss, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Weiden i. d. Opf.